Die Zahnräder einer europäischen Finanzarchitektur greifen noch nicht ineinander von Thomas Seidel

Fast drei Monate ist es her, als die Präsidenten der europäischen Bankenaufsicht (Single Supervisory Mechanism SSM) Danièle Nouy gemeinsam mit ihrer Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger eine erste Bilanz der Arbeit des SSM nach zwölf Monaten zogen. Jetzt, nach knapp 18 Monaten, präsentierte eine Gruppe Wirtschaftswissenschaftlern in Frankfurt am Main eine deutlich andere Sichtweise.


Die Diskutanten v.l.n.r. Sascha Steffen, Mark Wahrenburg, Hans-Helmut Kotz, Dirk Schoenmaker und Nicola Verona
(Quelle: Thomas Seidel)

Die Forschungseinrichtung SAFE (Sustainable Architecture for Finance in Europe) an der Frankfurter Goethe-Universität organisierte eine Diskussionsrunde europäischer Wirtschaftswissenschaftler, die aus ihrer Erkenntnis die Entwicklungen bei der europäischen Bankenaufsicht kommentierten. Mit dabei waren Nicola Véron von Bruegel und Peterson Institute, Sascha Steffen von der Universität Mannheim, Dirk Schoenmaker von Bruegel & Erasmus University und Mark Wahrenburg von der Goethe-Universität, moderiert von Hans-Helmut Kotz SAFE & Harvard University.

Die beiden SSM-Präsidentinnen priesen noch die wachsende „analytische Kraft“ aus dem Zusammenwirken von 19 nationalen Aufsichtsämtern und waren sich sicher, dass gleiche Standards künftig eine gleichwertige Bankenaufsicht ermöglichen würden. Das sehen die Wissenschaftler ganz anders. Intern würde die Aufsicht funktional arbeiten, was aber geschähe sei nicht transparent genug, merkte Nicola Véron an. Die Intransparenz unterstrich auch Dirk Schoenmaker, besonders im Vergleich des SSM mit dem amerikanischen FED. Mark Wahrenburg kritisierte vor allem ein fehlendes „level playing field“ in dem für alle Banken die gleichen Konditionen gelten sollten und sieht eine einheitliche europäische Bankenaufsicht durch die in London ansässige European Banking Authority (EBA) geschwächt. Zumindest sei der Informationsaustausch zwischen den beiden europäischen Aufsichtsinstitutionen eher ärmlich. Offensichtlich verfolgen die nationalen Aufsichtsbehörden nach wie vor sehr lokale Interessen und verhinderten die konsequente Abwicklung überlebensunfähiger Banken.

Die Struktur des neuen Aufsichtssystems in Europa
(Quelle: Thomas Seidel)
Der gegenwärtig deutlichen Kritik der deutschen Bankenaufsicht an den Geschäftsmodellen der Banken scheint die Grundlage zu fehlen. Nachforschungen hätten ergeben, Banken würden in Wahrheit viel flexibler agieren als man die Öffentlichkeit glauben machen will, da ihre durchschnittliche Verdienstmarge sich in den letzten vier Quartalen nicht dramatisch verändert hätte.

Doch das ganze System von Europäischer Zentralbank und Europäischer Bankenaufsicht werde nicht auf Dauer rund funktionieren, wenn nicht alle Elemente der europäischen Finanzarchitektur in der richtigen Reihenfolge in Kraft gesetzt würden. Die Kapitalmarktunion muss der Bankenunion folgen. Es könne keine effektiven Marktstrukturen geben ohne einen angemessenen Abwicklungsmechanismus für insolvente Banken. Dazu gehöre nicht zuletzt ein europäisches Einlagensicherungssystem. Der heftige deutsche Widerstand gegen eine solche Einrichtung basiere, so Nicola Véron, auf einer sehr speziellen Verbindung zwischen der deutschen Politik und dem Sparkassensystem. Was Véron zurecht damit meint, ist die unzeitgemäße Nutzung deutscher Sparkassen und Landesbanken als verkappter Pensionsstellen ausgebrannter Politiker.


Man muss der europäischen Aufsichtsorganisation zugestehen, dass sie wirklich noch ganz am Anfang steht und tradierte lokale System nicht Übernacht in ein stramm einheitliches Zentralsystem umgewandelt werden können. Umso mehr würde man sich eine Begleitung dieses schwierigen Prozesses durch eine institutionalisierte Beobachtergruppe wünschen, wie es die Europäische Zentralbank sie in Form der jährlichen Konferenz „ECB and its Watchers“ seit nunmehr 17 Jahren bereits hat.

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