Ein Schatten ist über Europa gefallen -Betrachtung über die möglichen Folgen des Brexit- von Thomas Seidel



(Quelle: Tina Siemens_pixelio.de


Königin Elizabeth II.
(Quelle: wikipedia British Government
Open Government Licence
Urheber: Joel Rouse/ Ministry of Defence
Die Würfel sind gefallen. Eine Mehrheit von Engländern und Walisern hat sich für das Ausscheiden von Groß-Britannien aus der Europäischen Union entschieden. Nicht zugestimmt allerdings haben eindeutig die Schotten. Es ist mehr als nur anzunehmen, dass sich die Schotten erneut in einer Volksabstimmung zu einer Loslösung von England entscheiden. Dann könnte es durchaus noch zu ihren Lebzeiten passieren, dass Elisabeth II. in absehbarer Zeit nur noch Königin von England sein wird. Steht der Name ihrer Vorgängerin Elizabeth I. (1533 – 1603) für den Beginn von Englands Aufstieg zur Weltmacht, dann könnte der Name Elisabeth II. für das endgültige Scheitern englischer Machtansprüche selbst auf den eigenen Inseln stehen. Sie wäre damit auf jeden Fall die Monarchin, die wie kein anderer englisch-britischer Monarch gescheitert wäre.

David Cameron
(Quelle: wikipedia,
Britsche Regierung
Open government Licence v1.0)
Geradezu klassisch gescheitert ist bereits heute die Person des David Cameron. „Die Geister die er rief, er wird sie nicht mehr los“. Auf kaum eine andere Figur der jüngeren Geschichte trifft dieser Satz aus Goethes Gedicht vom Zauberlehrling besser zu, als auf diesen immer schon unsympatisch wirkenden Karrieristen, dessen Politik stets von enormen Opportunismus geprägt war. Man erinnere sich: Allein aus der persönlichen Angst vor schwindender Zustimmung für seine vom Volk als verquer empfundene Politik, hatte Cameron die Idee des Brexit überhaupt in die Welt gesetzt. Vielleicht geht er einstmals in die Geschichte als der Zerstörer einer einmal friedenstiftenden Europäischen Union ein und darf dann im Jenseits gleich Platz nehmen neben den größten Schurken europäischer Geschichte. Sein Abgang wird sicherlich für die Briten einer der wesentlichen, wenngleich auch wenigen Gewinne aus der Brexit-Entscheidung sein.

Anders als die meisten kontinentaleuropäischen Völker waren und sind insbesondere die Engländer immer bereit gewesen, für die Konsequenzen ihrer Entscheidungen einzustehen. Wie bitter auch immer der Austritt aus den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Vorteilen der Europäischen Union für die Engländer werden wird, sie werden es ertragen, ja sogar ertragen müssen. Das sich in England die junge Generation durch den Widerwillen der Alten mit Kontinentaleuropa verbunden zu bleiben, um ihre Zukunftschancen betrogen fühlt, könnte dauerhaft zu einem ernsthaften Aderlass qualifizierter Arbeitskräfte für die ohnehin schon schwierige Wirtschaft in England führen. Eine der dümmsten Entscheidungen der heute gerne in England glorifizierten ehemaligen Premierministerin Margarete Thatcher war, die reichhaltig diversifizierte englische Industrie zu Gunsten vor allem des Finanzdiensteistungssektor zu vernachlässigen. Ihr erschienen Branchen in denen viele Underclass-Arbeiter beschäftigt werden mussten, als potentielle Brutnester sozialistisch geprägter Gewerkschaften deren Zerschlagung auch für sie persönlich der größte aller Siege war. In der Folge kam beispielsweise nicht nur die einstmals bunte britische Automobilindustrie fast vollständig unter nichtenglische Kontrolle. Inzwischen sind die Engländer gar nicht mehr in der Lage, selbst für ihre eigene militärische Sicherheit notwenige Systeme zu bauen. So entstehen etwa Kriegsschiffe für England in Frankreich, nicht etwa weil es dort billiger wäre, sondern weil mittlerweile den Engländern sowohl die Schiffsbauanlagen, wie auch schlichtweg das Know-how darüber verloren gegangen sind. Und das passierte einer Inselnation, man mag es kaum glauben. Ob es gelänge diese Defizite wieder herzustellen sei dahin gestellt. Es wäre vielleicht ein wunderbarer Ansporn für neues Wirtschaftswachstum. Das wird aber schwer umzusetzen sein, wenn dafür das künftig benötigte qualifizierte Personal nicht vorhanden ist, siehe die Ausführungen über die junge Generation weiter oben.

Jarosław Kaczyński 2016
(Quelle: wikipedia CCL
Urheber: Adrian Grycuk)
Jedem dem die Europäische Union als solche einigermaßen am Herzen liegt, ist nach dem Brexit klar, so wie bisher kann es in Europa nicht weitergehen! Ein demokratisch kaum legitimierter Staatenbund, geprägt von mit fetten Gehältern ausgestatteten Eurobürokraten, deren Handlungsweisen in den Augen der Bürger schon lange jede Sinnhaftigkeit verloren haben, darf so nicht weiter betrieben werden. Jetzt oder nie müsste der entscheidende Schritt hin zu einem wirklichen Bundesstaat unternommen werden. Das ginge allerdings nur über die Abschaffung der Nationalstaaten. Eine der Folgen wäre die massenhafte Überflüssigkeit nationaler Organe, nationaler Einrichtungen und vor allem nationaler Politiker. Gerade zu diesem Zeitpunkt ist es nahezu unvorstellbar, dass sich das rasche Wiedererstarken nationalgesinnter Elemente in allen Ländern der Europäischen Union auch nur ansatzweise wird zurück drängen lassen. Im Gegenteil, es ist mehr als berechtigt anzunehmen, dass es in schneller Folge zu entscheidenden Wahlsiegen jener populistischen Parteien kommen wird, die bislang zumindest durch ein formal intaktes Europa noch gedämpft werden konnten. Glaubt wirklich jemand ernsthaft, ein Land wie Polen, heimlich im Hintergrund geführt von einem erzkonversativen Scharfmacher wie Jaroslaw Kaczynski, würde irgendeine nationale Souveränität an eine europäische Bundesregierung oder ein europäisches Bundesparlament abgeben? Das gleiche gilt genauso für einen ungarischen Viktor Orbán. Beides aktive Politiker die bereits direkt oder indirekt ihre Länder führen. In den westlicheren Ländern der Europäischen Union stehen regierungswillige Nationalpopulisten mehr als bereit in den Startlöchern, ihre antieuropäischen Vorstellungen in die Tat um zu setzten. Die in Kürze anstehende Zwangswahl in Spanien, geboren aus der Not wochenlanger Unfähigkeit der etablierten Parteien eine tragfähige Regierung zustande zu bringen, wird der nächste deutliche Schritt in diese Richtung sein. 

Viktor Orbán
(Quelle: wikipedia CCL
 Urheber: File-EPP Summit 2015-06 Orbán 4)
Man wird damit rechnen müssen, dass die Europäische Union in den Mühlen nationaler Egoismen und verstärkt durch die persönliche Hybris nationaler Politiker, von denen sich wirklich jeder über alle Spektren der Parteien für vollkommen unersetzbar hält, zerrieben wird. Dabei wird deutlich jene Trennlinie zwischen einem eher protestantischen Norden und einem eher lateinisch-katholischen Süden zutage treten, von denen in diesem Jahr bereits der kurzweilige ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis und der derzeitige Chef der Deutschen Börse Carsten Kengeter bei anderen Veranstaltungen über die wahren Zustände in der Europäischen Union öffentlich gesprochen haben. Darüber wurde die in diesem Blog bereits ausführlich berichtet.

Die Zukunft für Europa sieht also eher düster aus. Längst haben die Menschen in Europa vergessen, warum mit der Person von Robert Schuman die Idee einer Europäischen Union, damals zuerst Montanunion, später Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, überhaupt zustande kam. Es ging letztlich darum die Zeit jahrhundertelanger Kriege zwischen europäischen Ländern ein für allemal zu beenden. Was viele geschichtsvergessene Politiker heute hirnlos betreiben, ist genau wieder der Weg zu jenen längst überwunden geglaubten Abgründen.

Robert Schuman August 1949 (
Quelle: wikipedia, CCL
Urheber: Bundesarchiv, Bild 183-19000-2453 / CC-BY-SA 3.0)
In Anbetracht einer solchen möglichen Zukunft für die Länder Kontinentaleuropas, könnten sich die Engländer dann vielleicht irgendwann einmal glücklich schätzen, unter zwar bescheidenen wirtschaftlichen Umständen aber unabhängig von den Zwängen kontinentaleuropäischer Nationalpolitik, relativ friedlich vor sich hin altern zu können. Kurzfristig allerdings hat das Votum der Engländer für eine Trennung von Europa für dieses einen wirklichen Vorteil. Wer künftig in Kontinentaleuropa von der Europäischen Union oder dessen Reste die Schnauze voll hat, den kann man dann getrost wirklich „auf die Insel“ schicken.

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