In Sachen Kapitalmarktunion herrscht Stillstand -Ausführungen des Chefs der Deutschen Börse- von Thomas Seidel

Westendcampus der Frankfurter Goethe-Universität
(Quelle: Thomas Seidel)

Vor Studenten der Frankfurter Goethe-Universität äußerte sich gestern Carsten Kengeter, CEO der Deutschen Börse, zum Thema „Die Zukunft der Europäischen Kapitalmärkte“. Zuvor leitete Jan Krahnen vom Center for Financial Studies das Thema mit dem Ergebnis einer Untersuchung ein. Danach kann eine zu große Anzahl von Banken das Wirtschaftswachstum dämpfen und destabilisierend auf die Wirtschaft wirken.

Kengeter nahm diesen Hinweis dankend auf und ging auf die Bedeutung von Kapitalmärkten für das Wirtschaftswachstum ein. Die klassische Bankenfinanzierung bei Innovativen und Entrepreneurs wirke wie ein Flaschenhals. Deshalb hätte die Deutsche Börse eine Venture-Capital-Plattform entwickelt, um eine Brücke zwischen Innovatoren und Entrepreneurs auf der einen Seite und investitionsfreudigem Venture-Kapital auf der anderen Seite zu bauen. Man nenne das auch Venture-Match, ein Zusammentreffen, dass viel zu häufig nicht zustande komme.

Carsten Kengeter während seines Vortrags
(Quelle: Thomas Seidel)
Die Ausgangslage für Europa sei ungünstig. Die Wachstums-erwartungen für die USA und Großbritannien lägen für 2017 bei 2,5 Prozent, für den Euroraum dagegen nur bei 1,5 Prozent. Generell seien die Kreditbedingungen für neue Unternehmen sehr ungünstig, vor allem wenn die jünger als zwei Jahre seien. Und das obwohl junge Firmen 40 Prozent der neuen Arbeitsplätze schaffen.

Europa bräuchte dringend eine Kapitalmarktunion. Diese müsse auf den zwei Säulen Stabilität und Integration ruhen, benötige freie Arbeitsmärkte und idealerweise eine Fiskalunion. Kengeter tritt auch für einen Lastenausgleich innerhalb der EU ein. Als Beispiel für ein gelungenes Projekt führt Kengeter die Bankenunion an. Er könne sich auch vorstellen, wie sinnvoll eine europaweite Wertpapieraufsicht im Zusammenhang mit einer Kapitalmarktunion sei.

Kengeter geht nicht wirklich auf den Stand der geplanten Börsenfusion zwischen der Deutschen Börse und der London Stock Exchange ein. Das treibende Motiv für die Fusion sei, das London das Liquiditätszentrum der Welt ist. Hierzu müsse eine Verbindung hergestellt werden, ganz gleich unter welchen Bedingungen ein Brexit nun stattfände oder nicht. Ansonsten müsse man den Brexit eher als Chance für die EU betrachten, doch gäbe es ja ohnehin schon einen Mangel an Wertschätzung für das Projekt EU. Damit hat sich Carsten Kengeter aber extrem diplomatisch ausgedrückt.


Es hat den Anschein, dass die offene Frage, ob Großbritannien nun wirklich aus der EU ausscheidet oder nicht und wenn ja dann wie, zu einem Stillstand innerhalb der Eu geführt hat. Eines der betroffenen Projekte ist die Kapitalmarktunion. Doch die Unsicherheiten resultieren nicht allein aus dem schwebenden Brexit-Verfahren. Noch muss eine neue US-Administration installiert werden. Noch steht eine interessante Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2017 in Frankreich an. Noch ist die Kontinuität der Merckelschen Kanzlerschaft in Deutschland nicht gesichert. An den entscheidenden Schaltstellen des Westen sind die Verantwortlichen für die nächsten Jahre noch nicht gesetzt. Bis dahin ist befürchten, passiert auch auf der großen europäischen Bühne nicht wirklich etwas Neues.

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