Kommt ein Drama in der europäischen Bankenaufsicht? -Bericht von der 4. Jahreskonferenz über die Bankenunion- von Thomas Seidel
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Die Jahreskonferenz eröffnet Dr. Rolf Friedewald Managing Director des Institut for Law and Finance (Quelle: Thomas Seidel) |
Die diesjährige Jahreskonferenz bot
tiefe Einblicke in die Beziehungen zwischen den europäischen
Bankenregulieren. Im nichtoffiziellen Hintergrund braut sich ein
Positionskampf zusammen. Kompetenzschwierigkeiten treten zu Tage.
Schon in seinem dritten Arbeitsjahr stellt der SSM eine Machtfrage.
Wird es zu einem drastischen Umbau der europäischen
Aufsichtsstruktur kommen?
In einer erst noch am Anfang stehenden
Tradition, veranstaltet das Institute for Law and Finance an der
Frankfurter Goethe-Universität, gemeinsam mit der weltweit tätigen
Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, eine Jahreskonferenz
über die Europäische Bankenunion. Es geht also um die gemeinsame
Europäische Bankenaufsicht. Zweck ist eine Bestandsaufnahme und
gleichzeitig ein Ausblick auf mögliche Entwicklungen.
Auftritt der European Banking Authority
(EBA)
Die Einleitung und den ersten Akt
unternahm Dr. Adam Farkas, Executive Director bei der EBA. Diese
EU-Behörde hat bis auf Abruf ihren Sitz noch in London. Es ist aber
bereits gewiss, dass die EBA diesen Standort wegen des Brexit
verlassen muss. Farkas hinterläßt den Eindruck, die EBA verstehe
sich in erster Linie als der Regelerfinder im europäischen
Aufsichtswesen. Alle anderen Aufsichtsbeteiligten, etwa wie der
Single Supervisory Mechanism (SSM) bei der Europäischen Zentralbank
(EZB) oder die tradierten nationalen Aufsichtsbehörden, hätten dann
lediglich das Regelwerk der EBA in der Praxis abzuarbeiten.
So preist Farkas die Leistungen der EBA
im Einzelnen an. Da habe man das Single
Rule Book (SRB) erstellt. Dies sei das
Kerninstrument zur gleichartigen Überwachung der Banken. Farkas
betont, die entscheidende Frage im Umgang mit dem SRB sei weniger was
darin stünde, als vielmehr die gleichartige Überwachung der Banken
nach den Regeln des SRB. Das soll letztlich gewährleisten, dass es
keine abweichende Interpretationen auf nationaler Aufsichtsebene
gibt. Darüber hinaus soll es verhindern, dass sich bei der
nationalen Aufsicht ein bevorzugter lokaler Champion herausbilde.
Daneben habe man einen einheitlichen Kapitalbegriff für Europa
definiert. Genauso habe die EBA bestimmt, was in Europa unter einem
Non-Performing-Loan (NPL), also einem ausgefallenen Kredit,
verbindlich zu verstehen sei. Man gewinnt den Eindruck, die EBA
versteht sich als ein Art DIN-Normierer (oder auch ISO-Normierer) für
bankenaufsichtliche Anforderungen.
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Dr. Adam Farkas ist von der Wichtigkeit der EBA überzeugt. (Quelle: Thomas Seidel) |
Farkas schildert die Arbeit der EBA als
einen schwierigen Prozess. Man kämpfe mit zu vielen politischen
Vorgaben. Man sei gezwungen, für jede Regel möglichst einen Konsens
herbei zu führen. Dennoch verkündet Farkas ganz stolz, mit dem SRB
habe man das größte einzelne Regelwerk innerhalb der EU geschaffen.
Die EBA hält dies natürlich selbst für anwenderfreundlich. Kein
Wunder, dass diese Äusserung bei den etwa 160 anwesenden Personen
des Fachpublikums gleich zur Erheiterung beitrug.
Adam Farkas wird in seinem
ausführlichen Vortrag auch nicht müde, über die vielen Mühen zu
sprechen, die die Anwendung der EBA-Regeln in der Praxis mit sich
brächten. Von einer Maximum-Harmonisierung sei man noch weit
entfernt. Bei den zurückliegenden Stresstests sei es zu einzelnen
Querschüssen aus den nationalen Bereichen gekommen. Es habe dort
abweichende Testinterpretation gegeben. Dadurch würden die
Stresstest-Ergebnisse in der Gesamt-EU nicht vergleichbar. Die
Umsetzung der EBA-Regeln sei in den EU-Ländern sehr unterschiedlich.
Das reiche von der Übernahme in das nationale Gesetzeswerk, bis hin
nur zu läppischen Handlungsempfehlungen. Man habe aber die Kritik
wahrgenommen, durch die Fülle der rechtlichen und technischen
Vorschriften gelte die Aufsicht insgesamt als zu rigide. Abschließend mahnt Farkas an, in der
Bankenunion dürfe es nicht zu vielen unterschiedlichen Anwendungen
der Aufsichtsregeln kommen, nur weil eine Bank geschäftlich
vielleicht in verschiedenen Jurisdiktionsbereichen tätig sei.
Auftritt einer nationalen
Aufsichtbehörde
Im zweiten Akt der Veranstaltung tritt
Dr. Andreas Dombret, im Vorstand der Deutschen Bundesbank für
Aufsichtsfragen verantwortlich, auf die Bühne. Dombret betrachtet,
als nationaler Bankenaufseher, den SSM nicht als eine hierarchische
Struktur. Vielmehr sei das europäische Aufsichtssystem als ein
Netzwerk von Aufsehern gedacht. Doch habe der SSM bereits damit
begonnen, ehedem nationale Kompetenzen an sich zu ziehen,
beispielsweise die Lizenzierung von Banken. Idealerweise sollte es zu
einem Kenntnistransfer von den nationalen Autoritäten (National
Competent Authorities, NCA) in Richtung SSM kommen. So erwartet
Dombret, dass die NCA auch hinter ihren Zusagen zur personellen
Ausstattung des SSM stünden.
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Dr. Andreas Dombret hat keine Kommunikationsprobleme (Quelle: Thomas Seidel) |
Auch scheint es mit der Kommunikation
im Aufsichtsnetzwerk nicht besonders weit her zu sein. Dombret
beklagt nicht nur allgemein kulturelle Unterschiede, sondern vor
allem sprachliche Defizite. Besonders wenn es um Legaldefinitionen
(legal terms) ginge, träten unterschiedliche Interpretationen
zutage. Da müsse dann dringend in den Dokumentationen der jeweiligen
Nationalsprache nachgeschaut werden.
Keinen Gefallen findet Dombret für die
nach seinem Geschmack immer noch zu engen Verzahnungen von nationalen
Regierungen und nationalen Banken. Da nimmt er auch nicht die
Zentralbanken selber aus. Diese akzeptierten wie selbstverständlich
Staatsschuldscheine als Sicherheiten für ihre Ausleihungen an die
lokalen Banken. Schlimmer noch, Banken könnten durch das Halten von
Staatspapieren ihre Eigenkapitalanforderungen günstiger gestalten.
Solche Feststellungen muten aber aus dem Munde eines
beaufsichtigenden Zentralbankers seltsam an. Wäre es denn nicht an
den Regulatoren, solche Praktiken zu untersagen? Wenigstens soll aber
bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel an
solchen Themen gearbeitet werden.
Auftritt der zentralen Bankenaufsicht
bei der EZB
Danièle Nouy, die Vorsitzende der
Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (Single Supervisory
Mechanism SSM) gibt sich im dritten Akt kämpferisch. Sie stellt sich
jedem politischen Betreben entgegen, die erreichten Bankregulierungen
wieder zu lockern. Besonders die Europäische Union sei kein
Musterknabe in Sachen strikter Befolgung der global erreichten
Aufsichtsstandards. Deutlich kritisiert Nouy Ansätze, wonach es für
kleinere Banken in Sachen regulatorische Anforderungen
Erleichterungen geben soll. In der EU führe schon die
Transformierung der SRB in nationales Recht zu Abweichungen.
Tatsächlich gäbe es 19 Versionen des SRB. Das sei verbunden mit
entsprechenden Zusatzkosten für multinational operierende Banken.
Nouy spricht sich dafür aus, alle Regularien allein in die Hände
der von ihr geführten supranationalen Aufsicht zu legen. Das ist
eine klare Kampfansage an die Daseinsberechtigung der European
Banking Authority EBA.
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Danièle Nouy gibt sich sehr kämpferisch (Quelle: Thomas Seidel) |
Dann macht sich Nouy daran, ihre
Klientel zu kritisieren. Der SSM versuche, den Banken ein
realistisches Bild ihre Risikosituation zu geben, das Risikoprofil.
Nouy reklamiert die schwache Profitabilität der europäischen
Banken. Viele seien so unrentabel, um selbst das eigene Kapital zu
bedienen. Das müsse aber nicht zwangsläufig so sein. Ohne Namen zu
nennen, berichtet Nouy von zwei Banken, die es zu einer Profitrate
von sechs Prozent geschafft haben. Auch geht Nouy der Abbau von
ausgefallenen Krediten, den so genannten Non-Performing Loans (NPL)
nicht schnell genug voran. Schließlich würde das anstehende
Ausscheiden Groß-Britanniens aus der EU (Brexit) neue Probleme mit
sich bringen, die Nouy aber im Detail nicht weiter ausführt.
Generell sieht Nouy in der Trennung von SSM und nationaler Aufsicht
(NCA) eine ungünstige Fragmentierung der europäischen
Bankenregulierung. Das ist eine Kampfansage an die Politik.
Zum Höhepunkt kommt es in der
folgenden Panel-Runde, an der Andreas Dombret als Vertreter einer NCA
aus terminlichen Gründen leider nicht mehr teilgenommen hat. Neben
Adam Farkas von der EBA und Danièle Nouy vom SSM gesellt sich mit
Sylvie Matherat, der Chef-Compliance- Officer der Deutschen Bank,
eine Vertreterin des privaten Bankgewerbes dazu. Das war eine
interessante Situation. Man konnte beide französischen Damen, die
einen ähnlich elitären, typisch französischen Bildungshintergrund
besitzen, aber recht unterschiedliche Karrieren im öffentlichen
Dienst bzw. in der Privatwirtschaft gemacht haben, sehr gut im Umgang
miteinander beobachten. Madame Matherat begrüßte zunächst
die Bestrebungen für eine Harmonisierung in der Bankenaufsicht. Sie
unterstrich aber die großen Herausforderungen einer multinational
operierenden Bank, die die Beachtung mannigfaltiger Complianceregeln
so mit sich brächten.
Das nahm Danièle Nouy als Gelegenheit,
Sylvie Matherat den Rat zu geben, sich an die, für die Deutsche Bank
zuständigen, Politiker zu wenden und denen zu erklären, dass man
lieber auf die nationale Aufsicht pfeife und eher den SSM als
supranationale Aufsicht bevorzuge. Das war die Kampfansage gegen die
nationalen Aufsichtsbehörden. Auch scheint Madame Nouy die nationale
Aufsicht über die Broker-Dealer ein Dorn im Auge zu sein. Das sehe
sie lieber natürlich im eigenen Hause.
Wer wird sich am Ende durchsetzen? v.l.n.r. Adam Farkas, Dr. Gunnar Schuster Partner Freshfield Bruckhaus Deringer, Sylvie Matherat, Danièle Nouy (Quelle: Thomas Seidel) |
Bei aller scheinbarer Sachlichkeit in
Ton und Themen der Veranstaltung, war nicht zu überhören, dass sich
im Hintergrund der europäischen Bankenaufsichts-Struktur
offensichtlich ein Machtkampf, um die Deutungshoheit und die
Durchsetzungsfähigkeit, der verschiedenen Aufsichtselemente
entwickelt. Bereits im dritten Jahr der praktischen Arbeit, scheint
der SSM zu versuchen, alle entscheidenden Kompetenzen an sich zu
ziehen. Dabei sind die nationalen Aufsichtsbehörden und selbst die
EBA in London viel älter. Was die EBA angeht, die wegen des Brexit
ohnehin ihren Sitz innerhalb der nächsten zwei Jahre nach
Kontinentaleuropa verlegen müsste, steckt vielleicht ja auch der
Gedanke dahinter, diese Institution bei der Gelegenheit gleich ganz
aufzulösen und deren Kompetenzen dann auf den SSM zu übertragen.
Das wäre nicht nur eine elegante Lösung des leidigen
Umzugsproblems. Zwar werden sich die nationalen Aufsichtsämter nicht
so leicht überflüssig machen lassen. Die könnten dann aber, im
Sinne einer hierarchischen Struktur, schnell nur noch nachgeordnete
Ausführungsstellen des SSM werden. Mit dem von Andreas Dombret
beschriebenen Netzwerk von Aufsehern, hätte so eine Struktur allerdings nichts mehr zu tun. Wie zu- oder abträglich diese
Vorgänge allerdings für eine funktionierende Bankenaufsicht in
Europa sind, wäre dann sicher eine weitere Jahrestagung wert.
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