Das Elend der Friesischen Inseln -Ein Reisebericht- von Thomas Seidel
Borkum-Stadt aus 1500 ft Höhe 2010 (Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: Bin im Garten) |
Im Herbst letzten Jahres berichteten
wir über Sylt unter dem Titel „Alles immer nur vom Feinsten“. An
dieser Stelle können wir über die ostfriesische Insel Borkum
schreiben. Das Bild vom Zustand der Friesischen Inseln, welches mit
Sylt begonnen hat, setzt sich fort. Die bei vielen Touristen so
beliebten deutschen Nordseeinseln stecken wohl in einer Krise. Doch
das Elend scheint selbst gemacht.
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Einer der Leuchttürme von Borkum (Quelle: Thomas Seidel) |
Während Sylt als eine der
Nordfriesischen Inseln neben Föhr, Amrun und Pellworm zum Land
Schleswig-Holstein zählt, gehören Borkum, Juist und Norderney wie
andere ostfriesischen Inseln zum Land Niedersachsen. Das Land
Schleswig-Holstein bezeichnet sich gerne als arm und so kann man
politisch sicher am schnellsten jede Verantwortung für mangelnde
Investitionen abtun. Das aber ausgerechnet beim Tourismus zu tun,
einer wichtigen Einnahmequelle des Landes, erscheint nicht klug zu
sein. So war es interessant zu sehen, wie ein anderes Bundesland mit
dem gleichen Thema verfährt. Auch Niedersachsen argumentiert sich
gerne selber arm. Doch dieses Land ist reich an vielen sehr
unterschiedlichen touristischen Attraktionen. Was die friesischen
Inseln angeht, scheint dort aber für vernünftige Investitionen kein
Geld übrig zu bleiben.
Nach Borkum kommt man mit der Fähre.
Zum Beispiel von Emden aus, dauert die Überfahrt etwa zweieinhalb
Stunden. Der Fährbetrieb ist effektiv organisiert. In Emden gibt es
für die Borkumfähre einen eigenen Anleger. Dorthin gelangt man
entweder mit dem Zug oder dem Auto. Für letztere gibt es ausreichend
Parkflächen zu sehr vernünftigen Gebühren.
Borkum Hafen Fähranleger mit Kleinbahnstation (Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: Reinhard Dietrich) |
Auch die Kosten der
Fährfahrt halten sich in Grenzen. So zahlten wir für das Hin- und
Rückticket 17,50 Euro. Das ist wenig im Vergleich zu den
räuberischen Preisen, die die Deutsche Bundesbahn auf ihrem
staatlich garantierten monopolistischen Bahndamm-Trip nach Sylt den
Leuten aus der Tasche zieht. Dieses touristische Ausbeuten seitens
der Bahn politisch zu ändern, wäre für das Bundesland
Schleswig-Holstein ein Leichtes, was das Land auch gar kein eigenes
Geld kosten würde. Aber ein Interesse daran hat man in Kiel wohl
nicht.
Die Geographie von Borkum hat es
sinnvoll erscheinen lassen, den Fähranleger am südlichen Ende der
Insel gebaut zu haben, während das städtische Zentrum im Nordwesten
liegt. So steigt man von der Fähre in eine bereitstehende Kleinbahn
um, welche die Strecke vom Hafen zur Stadtmitte gemütlich vor sich
hin tuckernd in wenigen Minuten überbrückt.
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Historische Kleinbahn auf Borkum (Quelle: wikipedia, GNU-Lizenz, Urheber: Matthias Süßen) |
Der Preis für die
Bahnfahrt ist im Fährticket inbegriffen. Das macht deren Kosten
insgesamt noch niedriger. Weil es sich um eine Kleinbahn handelt,
wirkt der Bahnhof in Borkum-Stadt aber eher wie eine
Straßenbahnhaltestelle, was durchaus einen gewissen Charme hat. Für
Eilige gibt es auch einen Flughafen. Theoretisch könnte man vom
Festland aus auch über das Watt wandern. Aus guten Gründen gibt es
aber keine Empfehlung dafür.
Borkum ist wohl schon sehr früh, mit
Unterbrechungen ab den 1830er Jahren für den Tourismus erschlossen
worden. Es gilt auch schon recht lange als anerkannter Kurort. Es
gibt inzwischen einen regelrechten Gesundheitsbetrieb. Die Deutsche
Rentenversicherung, eine Knappschaftsversicherung und diverse andere
Einrichtungen betreiben einige Kurkliniken. Es geht um Mutter-Kind
-Betreuung, aber auch Kuren für ganze Familien.
Zeugnis einer untergegangenen Badekultur am Hauptstrand (Quelle: Thomas Seidel) |
Dann werden noch
diverse andere Krankenbehandlungen angeboten, etwa wie Lungen- und
Hautkrankheiten oder Allergien. Neben solchen
Rehabilitationseinrichtungen hat sich der Tourismus zur
beherrschenden Wirtschaftsform auf der Insel entwickelt. Das muss vor
dem Ersten Weltkrieg gleichermaßen beschaulich wie kultiviert
zugegangen sein. Einige wenige letzte bauliche Reste zeugen noch
heute davon. Dann, irgendwann in den 1960er und 1970er Jahren,
scheint eine unsägliche Mischung von Klinikträgern, Landes- und
Kommunalpolitikern, privaten Investoren und gierigen
Geschäftlemachern die entscheidende Oberhand über die Entwicklung
der Insel gewonnen zu haben. Das Ergebnis ist allenthalben an jeder
Ecke zu sehen.
Widerlichste Betonbauten an den prominentesten
Stellen, geschmackloseste Zweckbauten überall einfach nur mal so
dahin geklotzt, Geschäfte, die den typischen Touristenbedarf
abdecken, und eine Gastronomie auf einfachstem aber dennoch
überteuertem Niveau. So wurde die Insel in der Nachkriegszeit
systematisch abgewertet und vermarktet. Wenigstens erheben die
Borkumer Bürger nicht auch noch einen Anspruch darauf, etwas sehr
besonderes zu sein. Dennoch hat es den Anschein, wer kann der flieht
von der Insel. Bevölkert von Heerscharen von Kranken und Touristen
und wohl immer schon auch von Neubürgern, die aus diversen Gründen
auf die Insel kommen und bleiben, geht die Anzahl der Menschen wohl
nicht aus.
Die Bismarkstraße, Flaniermeile auf Borkum? (Quelle: Thomas Seidel) |
Es gab Zeiten, da hat Borkum unter
seiner exponierten Lage und der damit einhergehenden
militärisch-strategischen Nutzung ausserordentlich gelitten. Das
aber hat der Insel insgesamt weniger zugesetzt, als die heutige,
gleichermaßen sinnlose wie geldgierige, Ausnutzung eines eigentlich
schönen Fleckchen Erde. Das Land Niedersachen hat gegen den
Niedergang seiner aussergewöhnlich schönen Nordseeinseln, die noch
dazu im Watt, immerhin einem anerkannten Welt-Natur-Erbe liegen,
offensichtlich weder ein Rezept noch einen klaren Handlungswillen.
Dasselbe gilt im Übrigen auch für die Lage der Nordfriesischen
Inseln in Schleswig-Holstein.
Ein moderner Schwimmbadklotz direkt am Strand gelegen. (Quelle: Thomas Seidel) |
Weder die kriegerische Geschichte des
20. Jahrhunderts noch die zeitweise Härte der Natur setzen den
Inseln so zu, wie eine typisch westdeutsche gierige und eine
gleichermaßen gedanken- wie geschmacklose wirtschaftliche Ausbeutung
durch einen völlig falsch verstandenen Tourismus. Insgesamt deutet
sich ein Elend für alle Friesischen Inseln an. Wie es anders geht,
das zeigt sich an den ehemals ostdeutschen Stränden. Doch dürften
die Wunden und Narben westdeutscher Betonkultur zu groß und zu tief
sein, um jemals wieder aus den Friesischen Inseln schöne Orte zu
machen.
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