Sorgen vor einer Renationalisierung der Bankenaufsicht -Zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise- von Thomas Seidel

Michael Kemmer vom Bundesverband deutscher Banken
(Quelle: CFS-Lifestream/Thomas Seidel)

Gemeinsam veranstalteten der Bundesverband deutscher Banken (BdB) und das Center for Financial Studies (CFS) an der Frankfurter Goethe-Universität eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion. Betrachtet wurde der Zustand der europäischen aber auch globalen Bankenwelt, zehn Jahre nach dem die letzte große Finanzkrise ihren Anfang genommen hatte.

Die Veranstaltung war regelrecht überbucht, weswegen sich die Veranstalter kurzfristig dazu entschlossen hatten, in einem Lifestream darüber zu berichten. Diese Zusammenfassung basiert auf diesem Lifestream. Noch etwas anderes war diesmal ungewöhnlich. Mitten in der Paneldiskussion kam es zu einem Räumungsalarm des Casinogebäudes der Universität Frankfurt. Deswegen wurde die Veranstaltung für einige Zeit unterbrochen, konnte dann aber wie geplant zu Ende geführt werden.

Als Keynote-Speaker hatte man Prof. Dr. Axel Weber von der schweizerischen UBS eingeladen. Dem stets selbstbewusst auftretenden Weber gelingt es immer, seine Beiträge mit einer Werbeschleife für das von ihm vertretene Geldinstitut einzuleiten und dabei natürlich heraus zustellen, was man dort so alles richtig gemacht hat und auch weiterhin richtig macht. Dann leitet er die Sache ein und hebt ein wenig wehleidig die hohen Kosten hervor, die die Bankwirtschaft heute tragen muss. Regulierungskosten, Kapitalkosten, Liquiditätskosten und Compliancekosten. Da scheinen die Personalkosten, inklusive aller Bonuszahlungen auch für das Management, die ja heut' zu Tage den Großteil aller Kosten in einer Bank-G + V ausmachen, schon gar nicht mehr erwähnenswert zu sein. Wachstum, aus Sicht der Banken, gibt es zumindest beim Verfassen von regulatorischen Vorschriften. So rechnet Weber den Zuhörern vor, das Regelwerk von Basel I habe auf 30 Seiten gepasst und Basel III komme schon mit 600 Seiten daher. Das alles ist aber nichts gegen das US-amerikanische Dodd-Frank-Gesetzt, mit 30.000 Seiten. Wenn Menschen Langeweile haben, gehen sie dahin, wo was los ist. Sie suchen einen „event“, wie das heute auf Neuhochdeutsch heißt. So etwas kann Axel Weber in der UBS anbieten. Der Aufsichtsratschef der schweizerischen Großbank hat einmal zählen lassen, wie viele „Regulierungsevents“ diese global operierende Bank in etwa jährlich beachten muss. So ganz genau weiß man es dort offensichtlich auch nicht, aber Weber nennt eine Zahl von 50.000 bis 60.000. Auf solch einer Fülle von Regulierungsevents lässt sich sicherlich die ein oder andere Karriere aufbauen. Aber mit diesem Bild macht Weber auch gleich auf ein kommendes Problem der Bankenaufsicht aufmerksam. Eine möglicherweise zunehmende Nationalisierung von Regeln und damit eine Abkehr von internationalen Standards. Daneben aber wird das Regelwerk so unübersichtlich, dass man Zweifel daran haben kann, ob die Regulierer selber noch damit zurecht kommen. Schließlich erreicht man bei einer solchen Vorschriftenfülle bald einen Punkt, an dem sich die Dinge zu widersprechen beginnen. Das können dann gewiefte Anwälte leicht als Angriffsfläche nutzen, den eigentlichen Sinn von regulatorischen Vorgaben auszuhebeln. 

Axel Weber von der UBS
(Quelle: CFS Lifestream/Thomas Seidel)
Neben all diesen ablaufbedingten Schwächen einer Überregulierung, leide inzwischen, so Weber, auch die Kreditvergabefähigkeit von Banken. Das trifft Europa besonders, weil es hier traditionell keine ausgeprägte Alternative zur Fremdfinanzierung durch die Banken, etwa in Form eines Kapitalmarkts, gäbe. Hier hat die Europäische Union eine besondere Schwäche, da sie nicht über einen global konkurrenzfähigen Kapitalmarkt verfügt. Erst recht wohl nicht, wenn sich der Brexit realisiert. Weber verkennt nicht, dass die Banken nicht nur ihre Geschäftsmodelle anpassen müssen. Die Herausforderungen des Bankenumfelds seien vielfältig. Die vom ihm als solche „Zinskompression“ bezeichnete Schrumpfung der möglichen Ertragsmargen im Zinsgeschäft, lassen die klassischen Erträge der Banken dahin schmelzen. Gefahren sieht Weber aber auch von der technologischen Seite, insbesondere von den Fin-Tech's. Schließlich erlitten die Banken in der Wirtschaft allgemein einen Bedeutungsverlust. So sei der Wertanteil von Bankenaktien bei den Indizes von 19 Prozent vor der Krise auf 11 Prozent nach der Krise, also um etwa 40 Prozent, geschrumpft. Das ließe sich so, zumindest bezogen auf die schweizerische Volkswirtschaft, auch für den gesamten volkswirtschaftlichen Leistungsanteil beziehen. Die gerade durch Basel II und III aufgebaute Risikosensitivität stünde in Gefahr, durch Basel IV wieder verloren zu gehen. Darüber hinaus beobachte man, wie die erreichten globalen Standards in einigen Ländern wieder renationalisiert würden. Das würde zu einer Schwächung des Regulierungsumfeldes führen, was wiederum schwache Markteilnehmer anziehen würde. Zuletzt kritisiert Weber die Bilanzen der Notenbanken. Die durch die wilden Anleihekäufe der letzten Monate bis zum Bersten aufgeblasenen Zentralbankbilanzen, seien inzwischen zu einem sensitiven Faktor für die Finanzindustrie und die Finanzmärkte geworden. Für ihn geht die Normalisierung dieses Zustandes viel zu schleppend voran. Stabilität sei nur durch Nachhaltigkeit langfristig erreichbar und gerade an dieser fehle es. Besonders die durch die Geldpolitik verwöhnten Kapitalmärkte produzierten keine Nachhaltigkeit.

Die Paneldiskussion war mit Herbert Hans Grüntker Vorstandsvorsitzender der Landesbank Hessen-Thüringen, Dr. Elke König Vorsitzende des Single Resolution Board, Prof. Dr. Jan Pieter Krahnen Direktor des CFS, Axel Weber und Martin Zielke Vorstandsvorsitzender der Commerzbank AG für das Thema sehr gut besetzt. Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Detlef Fechtner, stellv. Chefredakteur der Börsenzeitung.

v.l.n.r. Hans Herbert Grüntker, Pieter Krahnen, Detlef Fechtner, Elke König,
Axel Weber und Martin Zielke
(Quelle: CFS-Lifestream/Thomas Seidel)
Frau König sieht die Situation der Finanzindustrie insgesamt besser als vor der Krise. Die Banken seien besser mit Kapital und Liquidität ausgestattet. Doch dürfe es nicht das Ziel sein, jede Bank am Überleben zu halten. Ziel sollte vielmehr sein, Banken im Notfall auch in geregelter Art und Weise abwickeln zu können. Für Frau König müssen nationale Regulierungen erst einmal abgebaut werden. Die nationalen Insolvenzrechte müssten angepasst werden.

Herr Zielke von der Commerzbank macht in der Panelrunde eine für ihn erstaunliche Wende, gegenüber früher von ihm gemachten Äusserungen. Hat er bislang die technologischen Herausforderungen an die Banken als stemmbar bezeichnet und die Wirkung von Fin-Tech's gar abgetan, sieht er nun ganz allgemein eine große Aufgabe bei der Bewältigung der Digitalisierung. Hat man in der obersten Führungsetage der Commerzbank inzwischen erkannt, dass ein weiter so wie bisher in Sachen Technik und Backoffice nicht mehr tragbar ist? Zumindest die Interaktion mit dem Kunden würde sich wesentlich ändern. Optimistisch sieht Zielke das als eine Chance sich positiv zu verändern. Er erwartet dadurch ernsthaft das Zustandekommen tragfähiger Geschäftsmodelle.

Herbert Grüntker musste natürlich gleich für den gesamten Bereich des Sektors der öffentlichen Banken sprechen. Der wandelte die peinliche Abfolge der Pleiten von Landesbanken im Rahmen der Finanzkrise, mit der durch die EU erzwungenen Auflösung der einstmals mächtigen WestLB an der Spitze, in eine fröhliche Konsolidierung dieses Bankensektors um. Kein Widerspruch vom Panel noch aus dem Publikum. So kurzweilig ist mittlerweile auch das Gedächtnis eines Fachpublikums. Gerade heute erst, hat sich die, nur mit massivem bayrischem Steuergeld von 10 Milliarden Euro, gerettete BayernLB, als endgültig konsolidiert erklärt. Die größte Pleite weltweit überhaupt, durch die einstmals auch in München ansässige HypoReal-Estate wird den deutschen Steuerzahler noch auf Jahre hinaus belasten. Da stand und steht die Landesbank Hessen-Thüringen vergleichsweise gut da und so lässt es sich aus deren Warte angenehm über die Krise und ihre Folgen bei den anderen plaudern. Noch immer scheint man bei den Landesbanken zu bedauern, dass man inzwischen tatsächlich Eigenkapital benötigt und dies mit Erträgen bedienen muss, was in den früheren Trägerkonstruktionen dieser Institute so nicht notwendig war.

Für Pieter Krahnen hat die neue Regulierung geradezu einen philosophischen Überbau. Es stecke der Wunsch dahinter, die Haftung für Banken zu privatisieren. Ja ei der Dautz, was soll denn bitte schön daran neu sein? Das hätte schon immer so sein sollen! Es wurde in Deutschland sehr prominent etwa beim Zusammenbruch der Kölner Herstattbank in den 1970er Jahren praktiziert. Da verloren Alle alles. Iwan D. Herstatt verlor sein persönliches Gesamtvermögen, wie sich das gehört. Der Mehrheitseigner, der Kölner Versicherungsmagnat Hans Gerling musste seine Versicherung verkaufen, die Einleger wurde zunächst zur Kasse gebeten und unter ihnen befanden sich neben den Kommunen Köln und Bonn auch das Erzbistum Köln und, lokal der Supergau, die Kölner Karnevalsvereine. Zwar bekamen nach der Abwicklung die Einleger einen Teil ihres Vermögens wieder zurück, aber beteiligt wurden sie damals an der Abwicklung der Bank dennoch. Das sollte seit jeher der Normalzustand sein, wenn eine Bank Pleite geht. Da wundert man sich dann doch schon allenthalben, warum heute soviel Aufwand gemacht wird, zu diesem Normalzustand wieder zurück zu kommen. An nichts lässt sich die arrogante Selbstausuferung des globalen Bankenwesens besser darstellen, als an dieser längst in Vergessenheit geratenen Privathaftungsfrage.

Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass aber bis heute weder das notwendige Kapital, noch die viel unabdingbarere Liquidität für eine schnelle Bankabwicklung im europäischen System vorhanden sind.

Beklagt wird von den Teilnehmern allgemein die relative Unplanbarkeit der Finanzaufsicht. Es fände bereits ein Ausnutzen von Regulierungsunterschieden durch Wettbewerber statt. Das ist eine Entwicklung von der zu Befürchten ist, dass sie vor allem in den USA zum Regierungsprogramm gemacht wird, auch wenn keiner der Teilnehmer es wagt den Namen dieses Landes auch nur in den Mund zu nehmen. Zurecht mahnt Pieter Krahnen an, dass auch bestimmte Nichtbanken (Beispielhaft sind hier etwa Versicherungen, Pensionsfonds oder Hedgefonds gemeint) allein ob ihres Geschäfts, Teil des gesamten Finanzsystems seien und deshalb nicht separat betrachtet werden dürften. Es sei nicht einmal bekannt, wer diese Teilnehmer im Einzelnen sind, oder welche Personen dort eine wesentliche Rolle spielten. Krahnen warnt davor, sich in Krisen auf solche Institutionen und deren hoffentlich richtiges Handeln zu verlassen. Statt dessen solle man sich jetzt Klarheit über diese Finanzmarktteilnehmer verschaffen. Dem stimmt Elke König zu, macht jedoch klar, dass hier noch ein ziemlich unangenehmes Stück Arbeit auf die Aufsichtsmechanismen wartet.


Die Diskussion hat gezeigt, die Finanzindustrie effektiver zu beaufsichtigen ist auf einem richtigen Weg, es liegt aber noch viel Arbeit vor den Beteiligten. Die Gefahr für die Steuerzahler, letztlich doch insolvente Banken retten zu müssen, ist noch längst nicht abgewendet. Axel Weber macht das deutlich, wenn er sagt, man sei noch mitten in der Bewältigung der letzten Krise, diese habe man noch längst nicht hinter sich gelassen. Doch die Gefahr einer Renationalisierung von Aufsichtsregeln zeichnet sich bereits deutlich am Horizont ab. Damit aber würden alle Bemühungen, einer global agierenden Industrie weltweit die gleichen Standards zu setzen und keine Schlupflöcher zu überlassen, mehr als nur konterkariert.

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