Commerzbank setzt auf Luxemburg -Ein Interview mit Roland Boehm- von Thomas Seidel für das Luxemburger Wort-

Zentrale der Commerzbank in Frankfurt
(Quelle: wikipedia, GNU-Lizenz,
Urheber: Mylius/Roland Meinecke)


Für deutsche Banken ist Luxemburg in Europa ein wichtiger Finanzstandort. Durch den Brexit wird es Neuorientierungen geben. Wir suchten das Gespräch mit der Commerzbank AG, die ein wichtiger Player am Finanzplatz Luxemburg ist. Wir wollen wissen, ob das auch nach den Umwälzungen durch den Brexit so bleiben wird.

Wir sprachen in der Zentrale der Commerzbank AG in Frankfurt mit dem Bereichsvorstand Corporates International, Roland Boehm. Direkt neben einem der Hochhausgärten skizzierte Roland Boehm uns die Bedeutung von Luxemburg für sein Haus.

TS: Im letzten Jahr hatte die Commerzbank einen Sozialplan aufgelegt, da Luxemburger Aktivitäten der Commerzbank an eine Schweizer Bank verkauft wurden. Wie ist der Umbau verlaufen?

Boehm: Der Verkauf der CISAL und damit der Übergang von Mitarbeitern der Commerzbank zu Julius Bär ist reibungslos verlaufen. Darüber hinaus erforderliche Personalanpassungen konnten sozialverträglich umgesetzt werden.

Roland Boehm
(Quelle: Commerzbank AG)
TS: Herr Boehm wie ist die Commerzbank heute in Luxemburg aufgestellt?

Boehm: Luxemburg ist für uns ein wesentlicher paneuropäischer Standort. Inzwischen haben sich unsere Aktivitäten auf das Firmenkundengeschäft konzentriert. Dort sind wir in Luxemburg mit etwa 200 Mitarbeitern präsent. Wir wickeln über unsere zentrale Kreditplattform das paneuropäische Geschäft ab. Luxemburg ist kosmopolitisch, vielsprachig und hat viel Erfahrung und eine hohe Expertise bei Finanzthemen.

TS: Können Sie das Stichwort „Zentrale Kreditplattform“ bitte etwas näher erläutern?

Boehm: Luxemburg hat von Anfang an im Euro-Kreditkonsortialmarkt als internationale Drehscheibe fungiert. Deswegen haben die deutschen Banken ihre Aktivitäten rund um dieses Geschäft dort angesiedelt. Das und das Geschäft mit Schuldscheindarlehen erfolgt über unser zentrales Kreditbuch in Luxemburg. Auch sind wir als Agent in Kreditgeschäften tätig. Unsere Kunden sind anspruchsvoll, Effizienz und Qualität spielen daher eine wichtige Rolle.

TS: Luxemburg ist im Fondsgeschäft der Standort schlechthin. Was bedeutet das für Ihr Haus?

Boehm: Luxemburg ist für unser Fondsgeschäft wichtig. Die Commerzbank ist bei Exchange Traded Funds ein starker Marktteilnehmer.

TS: Arbeiten Sie mehr mit Publikumsfonds oder Spezialfonds?

Boehm: Die Commerz Fund Solutions S.A. (CFS) mit Sitz in Luxemburg bietet eine Vielzahl von Publikumsfonds, Indexfonds und Dachfonds an. Die CFS gehört zu den größten UCITS-konformen ETF-Anbietern. Zur Zeit werden 130 Fonds verwaltet mit einem Volumen von etwa 11 Mrd Euro. Obgleich wir maßgeblich Publikumsfonds verwalten, bieten wir unsere Dienstleistung auch für Spezialfonds an.

TS: Wie funktioniert aus der Sicht Ihres Hauses die Zusammenarbeit mit den Luxemburger Behörden?

Boehm: Die staatlichen Stellen in Luxemburg verstehen das Geschäft sehr gut und detailliert. Das ist wichtig in einer Zeit schneller Änderungen. Man ist sich den Vorteilen eines vergleichsweise kleinen Landes, das extrem europäisch denkt, bewusst. Das ermöglicht zum Teil sehr viel schnellere Entscheidungen. Wir erleben die Regulierung in Luxemburg auf einem hohen Standard. Man geht in Luxemburg auch proaktiv mit neuen Entwicklungen um, wie zum Beispiel bei FinTechs.

TS: Arbeitet die Commerzbank in Luxemburg mit FinTechs zusammen?

Boehm: Unser Haus hat seinen Schwerpunkt in der Zusammenarbeit mit FinTechs bisher vor allem in Deutschland. Wir verfolgen darüber hinaus das Ziel, in den kommenden drei Jahren achtzig Prozent unserer Prozesse zu digitalisieren. Das gilt auch für Luxemburg. Selbstverständlich werden wir auch dort, wenn es sich ergibt, mit FinTechs zusammenarbeiten.

TS: Die Commerzbank operiert auch in London. Welche Folgen zeichnen sich durch den Brexit für den Standort Luxemburg ab?

Boehm: London bleibt ein wichtiger paneuropäischer und internationaler Standort für die Commerzbank. Was sich genau ändern wird, läßt sich zur Zeit noch nicht sagen. Es zeichnet sich aber ab, dass vom Brexit die beiden Standorte Luxemburg und Frankfurt profitieren werden. Das genauer darzulegen, ist einfach zu früh. Unsere Kunden müssen sich aber darauf verlassen, dass ihr Geschäft auch künftig mit der gleichen Kompetenz bearbeitet wird.

TS: Die Commerzbank konzentriert sich auf das Geschäft mit dem Mittelstand (Stichwort: Mittelstandsbank). Gibt es neben der bereits erwähnten zentralen Kreditplattform noch andere Produktangebote aus Luxemburg heraus?

Boehm: Das ist eine ausgesprochen spannende Frage, auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Wir können in Luxemburg bei 200 Mitarbeitern und 17 Nationalitäten in vielen Sprachen unterwegs sein. Das bietet uns große Chancen für ein internationales Geschäft wie das Euro-Kreditkonsortialgeschäft. Bisher hat das Geschäft von der Lokalisierung gelebt, um möglichst in Kundennähe zu sein. Das schauen wir uns jetzt genauer an. Luxemburg hat starke Karten.

TS: Gibt es die klassische Aussenhandelsfinanzierung noch?

Boehm: Innerhalb Europas hat sich mit dem Euroraum viel geändert. Außerhalb der EU spielt die klassische Außenhandelsfinanzierung nach wie vor eine große Rolle. Mit einem Marktanteil von 30 Prozent bei der Abwicklung des deutschen Außenhandels ist die Commerzbank hier Marktführer. Wichtig für uns ist ein qualitätsvoller Service für unsere anspruchsvollen Firmenkunden. Da haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir diesen Ansprüchen aus Luxemburg heraus gerecht werden können. Wir sind bereits lange in Luxemburg und fühlen uns ausgesprochen wohl dort. Luxemburg ist ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Prozesskette und wir haben bisher immer gute Lösungen vor Ort gefunden.


TS: Herr Boehm wir danken Ihnen für das Gespräch.

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