Weiche Landung auf gepolstertem Bett -Was die Verabschiedung von Basel III für die Banken bedeutet- von Thomas Seidel
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Deutsche Bundesbank in Frankfurt am Main (Quelle: wikipedia, GNU-Lizenz, Urheber: Torben) |
Am teuersten ist die Steuerzahler die
Rekapitalisierung der Banken nach der Finanzkrise gekommen. Die Lehre
ist, Banken müssen nach dem Profil ihrer eingegangenen
Geschäftsrisiken ausreichend mit Kapital ausgestattet sein. Was das
im Einzelnen wirklich bedeutet und wie es global umgesetzt werden
soll, wird seit über 20 Jahren nach den Basler-Kapitalregeln
bestimmt. Jetzt haben sich die wichtigsten Akteure auf ein
gemeinsames Vorgehen geeinigt.
Seit den 1990er Jahren existiert ein
Regelwerk für die globale Finanzindustrie, benannt nach dem Sitz der
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Im Kern
regelt dieses Abkommen, wieviel Eigenmittel Finanzinstitute für die
Risiken aus ihren Geschäften mindestens vorhalten müssen. Die
globale Gültigkeit und Einhaltung dieser Regeln sind wichtig, um die
schlimmsten Wettbewerbsverzerrungen zwischen Ländern zu verhindern.
In der Praxis kommt es dabei aber vor allem auf die Abstimmung
zwischen den Europäern und der Amerikanern an. Mit der Zeit hat sich
dieses sogenannte Basel-Abkommen weiterentwickelt. Vor der
Finanzkrise sprach man von Basel II, einer weitreichenden und
grundlegenden Überarbeitung des allerersten rudimentären Abkommens.
Basel II bot den Banken diverse Gestaltungsmöglichkeiten die Risiken
ihrem Geschäftsmodell anzupassen. Die letzte große Finanzkrise
machte eine weitere dringende Revision des Baseler Abkommens
notwendig. Gleichwohl hat es zehn Jahre gedauert, bis in der vorigen
Woche eine grundsätzliche Einigung über Basel III zwischen Europa
und Amerika zustande gekommen ist.
Begonnen hatte alles durch Basel I mit
einem sogenannten Standard-Ansatz. Den Banken wurde starr
vorgeschrieben, mit wieviel Prozent sie die Risiken ihrer Geldanlagen
(Assets: Aktivseite der Bankbilanz) gewichten mussten. Auf diese
Gewichtung wurde dann ein bestimmter Prozentsatz für die die
Eigenkapitalunterlegung angerechent. Die Risikogewichtung konnte
dabei von 100 Prozent bis Null Prozent (etwa für Staatsanleihen)
reichen. Gerade aber die Null-Prozent-Regelung für Staatsanleihen
hat in der Vergangenheit und besonders aktuell bis heute immer wieder
für teilweise erbitterten Streit unter den teilnehmenden Staaten
geführt. Doch dazu noch später. Vom Prinzip her funktioniert das
Basler-Regelwerk zur Eigenkapitalunterlegung nicht unähnlich einer
Steuererklärung. Man muss zuerst feststellen, wieviel Volumen nach
den Regeln zu versteuern wäre und wendet dann einen zu zahlenden
Prozentsatz an.
Die erste generelle Überarbeitung,
bekannt als Basel II, hat den Finanzinstituten, wenn sie es denn eben
wollten, neue Freiräume geschaffen. So durften sie sogenannte
„Interne Risikomodelle“ bei der Berechnung ihrer Risikogewichtung
anwenden. Damit konnten sie die Risiken der Assets viel geschmeidiger
den Bedürfnissen ihrer Geschäftsmodelle anpassen. Freilich ist die
Handhabung eines Internen Risikomodells sehr aufwendig und komplex.
Auch konnten Banken ihre Risikomodelle nicht irgendwie im freien Raum
entstehen lassen. Die Modelle wurden durch die Aufsichtsbehörden
begutachtet und mussten genehmigt werden. Interne Risikomodelle
wurden daher in der Praxis mehrheitlich von solchen Banken gefahren,
die eine vielfältige und globale Geschäftsausrichtung und eine
bestimmte Größe haben. Dann aber konnte sich der Aufwand für
solche Verfahren durchaus rechnen. Man konnte so wenig wie möglich
teures Eigenkapital für die Risikovorsorge unterlegen.
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Pressegespräch zu Basel III in den Räumen der Deutschen Bundesbank (Quelle: Thomas Seidel) |
Die letzte große Finanzkrise hat zu
der Erkenntnis geführt, dass in vielen Fällen beide Seiten, sowohl
die Banken wie auch die Aufsichtsämter, mit manchem Internen
Risikomodell schlichtweg überfordert waren. Es bestand also
dringender Handlungsbedarf, an einer Neuausrichtung des Basler
Abkommens, folgerichtig genannt Basel III. In seinem Kern, nimmt
Basel III einige der Gestaltungsfreiheiten, die in Basel II
formuliert worden waren, wieder zurück auf den vereinfachenden
Standard-Ansatz. Dennoch war vor allem den europäischen Ländern
daran gelegen, Banken gewisse Gestaltungsräume für ihre
Geschäftsmodelle zu überlassen. Was nach langen und zähen
Verhandlungen dabei heraus gekommen ist, wurde am letzten Freitag,
seitens der Deutschen Bundesbank durch den für Aufsichtsfragen
zuständigen Vorstand Dr. Andreas Dombret und dessen Mitarbeiter,
gegenüber Pressevertretern erläutert.
Was jetzt zwischen Vertretern vor allem
beiderseits des Atlantiks verbindlich vereinbart worden ist, erhält
grundsätzlich die Möglichkeiten von Basel II, d.h. auch weiterhin
Interne Modelle zur Anwendung zu bringen, schränkt diese aber in
ihrer Wirkung stark ein. Letztlich wird hier nur ein Spielraum von
27,5 Prozent des Kapitalbedarfs bleiben. Doch könne das schon als
ein Erfolg gewertet werden, gab es doch starke Bestrebungen die
Internen Modelle ganz abzuschaffen. Auf der Basis gegenwärtiger
Zahlen werden sich die neuen Vorschriften etwa so auswirken: Per 2015
gab es einen globalen Kapitalbedarf von 516 Mrd Euro, davon hatte
Europa einen Anteil von 277 Mrd. Die jetzigen Beschlüsse werden
diesen Bedarf global um zusätzliche 30 Mrd, davon für Europa um
zusätzliche 18 Mrd, erhöhen. Die Auswirkungen können also
insgesamt als relativ gering bezeichnet werden. Dazu kommen sehr
generöse Übergangsfristen. Die vollen Auswirkungen der neuen Regeln
treten überhaupt erst per 1. 01. 2027 in Kraft. Es gibt also einen
zehnjährigen Übergangszeitraum. In diesem Zeitraum beginnen die
Einschränkungen auch erst ab 2022 mit einer Grundlage von 50
Prozent, die sich dann allmählich auf 72, 5 Prozent bis 2027
steigert.
Die Banken werden also bezüglich Basel
III eher weich und abgefedert landen. Man geht bei der Deutschen
Bundesbank davon aus, dass der lange Übergangszeitraum den Bank die
Gelegenheit gibt, notwenige Anpassungen wahrscheinlich auf der
Assetseite der Bilanz vor zu nehmen. Die Banken dürften demnach
nicht unbedingt gezwungen sein, sich schnell am Markt wieder teures
Eigenkapital zu beschaffen.
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Dr. Andreas Dombret (mitte) beim Pressegespräch (Quelle: Thomas Seidel) |
Bleiben zwei wesentliche Fragen offen.
Andreas Dombret will bei den Beschlüssen den Vertretern der
amerikanischen Seite tief in die Augen geschaut haben. So mag er
deren Entschlossenheit, die neuen Standards einzuführen, gerne
glauben. Doch was nützt der gute Wille von Federal Reserve und
anderen US-Behörden, wenn ein unberechenbarer US-Präsident sich
nicht an international vereinbarte Regeln halten will? Schon ist
Donald Trump dabei, die bei ihm unbeliebte Präsidentin des
amerikanischen Zentralbanksystems Yanet Jellen durch einen ihm
genehmen Kandidaten zu ersetzen. Bekannt ist auch, dass die
Trump-Administration in den USA die strengen Bankenregeln nach dem
Dodd-Frank-Act wieder aufweichen will. Was wird noch folgen? Kann es
sein, dass, wie ein Kollege es ausdrückte, man zunächst einmal
einen Standard setzt, um danach gegen diesen wieder zu verstoßen?
In Fragen der Risikobewertung von
Staatsanleihen scheinen sich gewisse Länder aus Europa durchgesetzt
zu haben. Gewiss ist, seit der letzten Finanzkrise weiß man, auch
Staaten können pleite gehen und mit ihnen deren eigene Anleihen.
Nichts ist wirklich sicher auf dem Finanzmarkt. Besonnene Länder
wollten deswegen vorschreiben, künftig auch Staatsanleihen mit
Risikokapital zu unterlegen. Doch wurde das wohl wieder einmal
verhindert. Wer als Staat besonders hoch verschuldet ist und
vielleicht auch noch dauerhaft reformunfähig und wirtschaftsschwach,
würde bei einer Risikokapital-Unterlegung für seine Anleihen
automatisch mehr Zinsen an den Märkten zahlen müssen. Genau dieser
mögliche Hebel zu zusätzlicher Disziplin in der Fiskalpolitik ist
wieder nicht zum Ansatz gekommen!
Fazit: Das Gezerre um Basel III ist
vorläufig zu Ende gekommen. Die Börsen haben allein die Gewissheit
um das Regelwerke honoriert und die Bankenaktien in ihrem Wert etwas
ansteigen lassen. Basel III stellt gleichwohl auch höhere
Anforderungen an die Aufsichtsbehörden. Mit „nur mal beobachten
und abwarten“ wird es künftig nicht mehr getan sein. Die
weitgehende Rückkehr zu einem einfacheren Standard-Ansatz erlaubt es
den Aufsehern, die Einhaltung der Regeln strenger und zeitnah
einzufordern. Ob allerdings was heute beschlossen wurde und erst in
zehn Jahren volle Gültigkeit erlangen soll, bis dahin nicht schon
längst durch noch nicht absehbare neue Ereignisse wieder vom Winde
verweht wird, das kann heute noch niemand wissen, aber auch keiner
ausschließen.
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