Die Märkte bilden sich ihre Nachrichten selber ein -Bericht von der EZB-Pressekonferenz vom 25. Januar 2018- von Thomas Seidel


Mario Draghi (Mitte) auf der Pressekonferenz
(Quelle: Thomas Seidel)


Substantielle Neubeschlüsse hat das EZB-Direktorium auf seiner heutigen Sitzung nicht gemacht. Die anschließende Pressekonferenz deckt aber eine neue Tendenz auf. Wo keine Nachrichten sind, machen sich die Märkte zunehmend selber welche. So etwas kann nicht lange gut gehen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) produziert Langeweile. Und das schon seit über 15 Monaten. Die Zentralbank ändert nicht ihre Beschlüsse im Kern. So bleiben die Leitzinsen unverändert. Das Ankaufprogramm für Staatsanleihen wurde zwar gekürzt, es bleibt aber bestehen. Auch sonst gibt es keine Anzeichen für Änderungen. Das gilt ebenso für die Inflation. Das Ziel der EZB, knapp unter 2 Prozent ist nicht erreicht. Also ändert sich auch nichts. Nur die Wirtschaft, das gibt Mario Draghi zu, wächst gut aber unerwartet.

Dieser Kurs der EZB wurde im Herbst 2016 so beschlossen. Der Hintergrund war das europäische Wahljahr 2017. In den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Österreich wurde gewählt. Der Beitrag der EZB dazu war, die Versorgung der Banken und der Wirtschaft mit Liquidität zu sichern und die Märkte ruhig zu stellen. Wie immer die Wahlen ausgehen sollten, am Ende des Jahres 2017 rechnete man mit neuen Regierungen in allen diesen Ländern. In allen diesen Ländern? Ausgerechnet das wirtschaftlich und politisch so wichtige Deutschland hat auch vier Monate nach der Bundestagswahl keine neue stabile Regierung. Die Aussichten in kurzer Zeit eine solche zu bekommen stehen schlecht. Jetzt mit einer Wende in der Geldpolitik der EZB zu beginnen, scheint denn doch ein zu großes politisches Risiko zu sein.

Einigen Marktteilnehmern ist das aber offenbar zu langweilig. Wenn schon die Zentralbank keine Neuigkeiten verkündet, dann macht man sich scheinbar selber welche. Frühere Aussagen werden zitiert und neu interpretiert. Man versucht den Entscheidern Worte in den Mund zu legen. Auf einmal stehen nicht mehr fundamentale Wirtschaftsdaten im Mittelpunkt des Interesses, sondern der Umgang mit der Sprache.



Mario Draghi hat dann heute auch alle Hände voll damit zu tun, zu betonen, wie sehr sich die EZB an ihre eigenen Regeln hält. Es werden sogar absurde Zusammenhänge hinterfragt. Wie die EZB die Entwicklungen bei den Wechselkursen des EURO sehe? Klare Antwort des Präsidenten, die Wechselkurse sind kein Ziel der Europäischen Zentralbank. Darüber reden andere, nicht die EZB.
Am Ende gibt es für alle Liebhaber von Neuigkeiten jedoch gleich einen Dämpfer. Für eine Zinsanhebung in diesem Jahr, so Draghi, gäbe es wenig Aussichten.

Man fragt sich welche gelangweilten Marktteilnehmer unbedingt eine Änderungen der Konditionen bei der EZB herbei reden wollen. Sind es gelangweilte Analysten oder Ökonomen? Sind es vielleicht Spekulanten oder dümmliche Zeitvertreiber? Sind es nationale Politiker, die partout die Zusammenhänge einer supranationalen Einrichtung nicht verstehen wollen? Wer immer auch meint in Sachen Geldpolitik Entscheidungen erzwingen zu müssen, soll sich fachlich qualifizieren und versuchen Mitglied des EZB-Direktoriums zu werden. Alle anderen müssen draußen bleiben.

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