Der späte Sieg des John Maynard Keynes von Thomas Seidel
Seit Jahrzehnten tobt in der Volkswirtschaft ein Glaubenskrieg zwischen den Keynesianern und den Monetaristen. Es geht um die grundsätzliche Konstitution von Volkswirtschaften und deren Auswirkungen auf die inzwischen globalen Gesellschaften. Spätestens seit den 1970er Jahren hatten die Monetaristen bei Politikern in vielen Ländern mit ihren Vorstellungen die Oberhand gewonnen. Doch in Folge der Corona-Krise zeigt sich die Überlegenheit des Keynesianismus in aller Deutlichkeit.
Der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883 - 1946) postulierte im Kern, und übrigens nicht nur national sondern gleich global, eine Wirtschaftsordnung, die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklungen nicht allein den Kräften freier Märkte überlässt, sondern gezielte Eingriffe des Staates in bestimmten Situationen forderte. Besonders um das Ziel einer Vollbeschäftigung zu erreichen, soll sich der Staat in Bezug auf das Auf- und Ab der Konjunktur antizyklisch verhalten. Einfach gesagt: in wirtschaftlich guten Zeiten baut der Staat seine Defizite ab; in wirtschaftlich schwachen Zeiten unterstützt der Staat die Konjunktur durch erhöhte Ausgaben, auch in Form einer Staatsverschuldung.
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John Maynard Keynes etwa 1933 (Quelle: wikipedia, gemeinfrei) |
Sowohl der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan (1911 - 2004) und die einstige britische Premierministerin Margarete Thatcher (1925 - 2013) waren beide überzeugte Anhänger des Monetarismus setzen dessen Erkenntnisse in den 1980er Jahren politisch in ihren Ländern und damit maßgeblich für die Weltwirtschaft durch.
Das Gegenkonzept dazu existiert vor allem im deutschsprachigen Raum und wird dort etwas verdruckst als "Soziale Marktwirtschaft" bezeichnet. Diese beruht aber auf den Prinzipien des Keynesianismus. Das Modell der Sozialen Marktwirtschaft hat über Jahrzehnte hinweg, selbst in konjunkturell schwierigen Zeiten, immer wieder für eine im Vergleich moderate Arbeitslosigkeit und weitestgehend sozialen Frieden gesorgt. Durch strikte Gesetze zur staatlichen Schuldenbegrenzung infolge der letzten Finanzkrisen und ein etwa zehn Jahre andauerndes Wirtschaftswachstum ist es in Deutschland gelungen, die Staatsverschuldung, ganz im keynesianischen Sinn, deutlich zu reduzieren.
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(Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: The Friedman Foundation for Educational Choice) |
Wie die einzelnen Volkswirtschaften im Laufe der nächsten Jahre aus dieser Krise herauskommen, hängt dann insbesondere von ihrer Schuldentragfähigkeit ab, wie kürzlich Prof. Dr. Moritz Schularick (Universität Bonn) und Jakob von Weizsäcker (Chefvolkswirt des Bundesministeriums der Finanzen) in einem Webinar des Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE an der Frankfurter Goethe-Universität sehr anschaulich erläuterten.
Die gute Ausgangsposition der konsequent keynesianisch verfassten deutschen Wirtschaft kann nun hilfreich sein, im Verbund mit der ganzen Europäischen Union zu versuchen, die bitteren Folgen der Krise in einen nachhaltigen Neustart zu verwandeln. Wie das in monetaristisch verfassten Volkswirtschaften gelingt, wird spannend zu beobachten sein.
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