Zentralbanken während der Corona-Krise von Thomas Seidel

EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der virtuellen Geister-Presse-Konfernez vom 30. April 2020
Bildmaterial: https://www.flickr.com/photos/europeancentralbank/sets/72157714060239612/

Am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche haben die US-amerikanische Zentralbank Federal Reserve System (FED) und die Europäische Zentralbank (EZB) turnusgemäß ihren aktuellen geldpolitischen Beschlüsse unter dem Eindruck der aktuellen Corona-Krise bekannt gegeben. Dabei ist interessant zu beobachten, wie diese beiden Institutionen und andere wichtige Zentralbanken mit dem massiven politischen Erwartungsdruck umgehen können.

Jerome H. Powell
Governor of the FED
Bildmaterial: www.federalreserve.gov/aboutthefed/
bios/board/powell.htm
Wenn jetzt in der Presse kommentiert wird, dass die Unabhängigkeit des FED gefährdet sein könnte, während man die Unabhängigkeit der EZB nicht einmal im Ansatz beeinträchtigt sieht, dann hat das auch etwas mit den unglücklichen Umständen der Entstehung des FED zu tun. Gegründet wurde das FED 1913 durch ein Gesetz des US-Kongress und gegen den massiven Widerstand der amerikanischen Wirtschaft, des US-Bankenwesens und des seinerzeitigen US-Präsidenten Woodrow Wilson. Der formulierte in einer Rede zur Etablierung des FED, "er habe sein Land unabsichtlich ruiniert". Schon die Eigentümerstruktur des FED hat dauerhaft Zweifel an der Unabhängigkeit der Institution aufkommen lassen. Denn zur Hälfte sind deren Mitgliedsbanken ihre Eigentümer. Das FED gilt zwar als "unabhängig innerhalb der Regierung" und muss sich nur gegenüber dem US-Kongress verantworten. Dieser kann aber jederzeit dem FED auch per Gesetz seinen Willen aufzwingen. Wenn das jetzt vor dem Hintergrund der Corona-Krise in einer Weise geschieht, dass der Kongress direkte Förderhilfen seitens des FED an die Wirtschaft verlangt, verstärken sich die Zweifel an der Unabhängigkeit dieser Institution nur noch mehr und die amerikanische Politik beschädigt die internationale Reputation ihrer eigenen Institutionen. Das aber scheint in der Logik der aktuellen amerikanischen Politik zu liegen.

Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main
Bildmaterial: EZB

Viel komfortabler hat es da die EZB unter ihrer derzeitigen Präsidentin Christine Lagarde. Schon durch den Gründungsakt der EZB als supranationale Institution mit dem Status eines eigenständigen EU-Organs, ist der massive politische Druck eines einzelnen europäischen Mitgliedstaates so gut wie unmöglich. Wenngleich die EZB bei allen ihren Maßnahmen immer auch die Entwicklung in allen Mitgliedsländern im Blick haben muß, selbst denen die nicht zur €uro-Gruppe gehören, die Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen wird dadurch nicht in Frage gestellt. Auch deshalb nicht, weil nicht ein Parlament alleine einen gesetzgeberischen Einfluß auf die Politik der EZB nehmen könnte. Übrigens auch keine nationalen Gerichte, selbst wenn sich in manchen Ländern das mancher Bürger gerne so wünschen würde. 

Was wir in diesen Zeiten der Corona-Pandemie beobachten können ist, das von Einigen gewollte, systematische politische Ruinieren des FED, das immerhin über die nach wie vor wichtigste Handelswährung des Welt wachen soll. 

Dagegen kann sich unter der garantiert machofreien, unaufgeregt ruhigen Führung durch ihre derzeitige Präsidentin Christine Lagarde, die EZB in ihrer wirklichen institutionalisierten Unabhängigkeit weltweit weiter Reputation aufbauen.

Von den, inzwischen von den Weisungen ihren jeweiligen Regierungen nahezu vollständig abhängigen, Notenbanken in Großbritannien und Japan soll man im Zusammenhang mit dem Thema Unabhängigkeit einer Zentralbank zur Zeit gar nicht erst mehr reden. 

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