Über die Wahrscheinlichkeit einer Erwartung - Bericht von der heutigen EZB-Pressekonferenz - von Thomas Seidel

Für den EZB-Vizepräsidenten könnte es schon losgehen
Quelle: Thomas Seidel

Änderungen an den Geldmarktkonditionen der EZB gibt es erwartungsgemäß nicht. Der EZB-Rat feiert sich selbst für alle wirtschaftlichen Erfolge in dem €uro-Raum. Inflation sei zur Zeit noch kein Problem und Deutschland manipuliere den €uro-Kurs nicht.

Niemand hat ernsthaft erwartet, dass der EZB-Rat eine substantielle Änderung an seinen Geldmarktkonditionen beschließt. Weder ändern sich die Leitzinsen, noch etwas am Ankaufsprogramm der EZB. In diesem Monat kauft man noch einmal Wertpapiere für 80 Milliarden €uro an, danach, b.a.w. sinkt der monatliche Ankaufsbetrag auf 60 Milliarden €uro. Weder würden die fundamentalen Wirtschaftsdaten der EZB-Statistiker, noch andere Rahmenbedingungen es notwendig machen, anders zu entscheiden. Man könnte auch sagen, die gegenwärtige EZB-Politik ist in der Spur (on track).

Bereits im vergangenen Herbst hat die EZB die monetären Grundlagen für die Geldpolitik des Jahres 2017 kalibriert. Die voraussehbare Versorgung des €uroraums mit Geld, ist für das politische Multiwahljahr sichergestellt. Ob die Niederlande, Frankreich, Nordrhein-Westfalen oder der Deutsche Bundestag, die wichtigen in diesem Jahr anstehenden Wahlen, sollen möglichst nicht durch hektische geldpolitische Manöver gestört werden.

Auch EZB-Mitarbeiterinnen zeigen Entschlossenheit
Quelle: Thomas Seidel
Das die EZB-Politik "on track" ist, schreibt sich der EZB-Rat großzügig selbst zugute.
Ob es das niedrige Zinsumfeld und die gute Kreditversorgung der Wirtschaft ist, ob es sich um die beherrschbare Inflation handelt, ob es das selbst ermittelte Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent ist, oder ganz besonders die im €uroraum angeblich sinkende Arbeitslosigkeit, alles sollen die Bürger der EZB-Politik verdanken.

Auch die Aussichten für die unmittelbare Zukunft sollen recht rosig sein. Binnenrisiken scheinen abzunehmen. Wenngleich man bei den globalen Risiken eine eher zunehmende Tendenz erkenne, so gebe es bislang keine drastischen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Sowohl der Brexit als auch die neue US-Administration können demnach als vorläufig verdaut betrachtet werden. Insgesamt sei die Balance der Risiken ausgewogener geworden, es drohe keine akute Gefahr einer Wirtschaftskrise.

Kann der Wissensdurst der Pressevertreter befriedigt werden?
Quelle. Thomas Seidel


Die Existenz des €uro sei inzwischen unumstößlich und man sähe keine Anzeichen für ein Auseinanderbrechen des €uroraums. Es gäbe auch keine Manipulationen beim €uro seitens von Deutschland, was selbst die amerikanische Fed bestätige. Im übrigen sei die EZB der Souverän über den €uro. In diesem Zusammenhang entfährt Mario Draghi ein denkwürdiger Satz. Er spricht von der "Wahrscheinlichkeit einer Erwartung" (probability on an expectation). Das sind die Formulierungen mit denen man heute Politik macht. "Honi soit qui mal y pense" - verachtet sei, wer schlecht darüber denkt. Ist so auch das Motto auf dem höchsten englischen Orden, dem Hosenbandorden. Na wenn man sich das mal in Britannien vor dem Hintergrund des Brexit nicht immer wieder selber sagt.

Letzte Zweifler werden mit der Aussage beschwichtigt, trotz aller möglichen negativen Ereignisse, die ja bekanntlich im Auge des Betrachters liegen, habe sich der €uro in Europa als ein Instrument der Solidarität erwiesen. In diesem Sinne endete die Pressekonferenz und alle Beteiligten können beruhigt ihres Weges gehen.

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