Das mobile Banking verändert Alles -Bericht vom SZ-Finanztag 2017- von Thomas Seidel

Der Frankfurter Hof beheimatet traditionell den SZ-Finanztag in Frankfurt
Quelle: Thomas Seidel

Planlos dümpelt die europäische Finanzlandschaft vor sich hin. Zu viele Kreditausfälle belasten die Profitabilität der Banken. Zündende Ideen, wie man ausreichend Geld verdient, gibt es nicht. Die wirklichen Folgen des Brexit bleiben unabsehbar. Der Finanztag der Süddeutschen Zeitung offenbart ein Finanzeuropa der Orientierungslosigkeit.

François Villeroy de Galhau Banque de France
Quelle: Thomas Seidel
Mit François Villeroy de Galhau machte der Präsident der Banque de France den Anfang der Veranstaltung. Er zitiert das Abschlusskommunique des jüngsten G-20 Gipfels in Baden-Baden, wonach die wirtschaftliche globale Erholung Fortschritte zeigt. Villeroy de Galhau verteidigt die Geldpolitik der EZB mit dem Hinweis darauf, man habe eine drohende Deflation abwenden müssen. Für die europäische Finanzbranche sieht er das Hauptproblem in der mangelhaften Profitabilität, die wiederum auf einer zu großen Anzahl von Kreditausfällen (non performing loans NPL), vor allem noch in Portugal und Italien, beruhe. Vor diesem Hintergrund fordert Villeroy de Galhau eine Bankenkonsolidierung über europäische Grenzen hinweg.

Als zweiter Keynote-Sprecher trat Jean-Pierre Mustier von der UniCredit an. Er beschreibt seinen Arbeitgeber als eine europäische Cross-Border-Bank, mit einem sehr erfolgreichen Mittelstandsgeschäft in Frankreich, Deutschland, Österreich und sogar in Italien. Für Mustier ist die italienische Bankenlandschaft durch eine 20 Milliarden €uro-Stütze der Regierung in Rom bereits gerettet. Fin-Techs spricht Mustier schlicht die Fähigkeit ab, etablierten Banken wirklich gefährlich werden zu können, da diesen das notwendige Gewicht an Kundenzahl und Kapital fehle.

Sir Howard Davies Royal Bank of Scotland
Quelle: Thomas Seidel
Düster schildert Sir Howard Davies von der Royal Bank of Scotland die Situation im noch Vereinigten Königreich. Dort sei die politische Klasse auf eine Endabrechnung aus Brüssel nicht vorbereitet. Offensichtlich geht man in London davon aus, man könne den Brexit notfalls für umsonst kriegen. Davies betont, im Englischen sei nicht die Rede von einem „harten Brexit“, vielmehr gelte der Begriff „clean Brexit“. Die Entscheidung einer Mehrheit für den Ausstieg aus der EU habe man „with their hearts and not with their wallets“ (mit den Herzen aber nicht mit Verstand) getroffen. Umso emotionaler wird man in Großbritannien mit dem Thema umgehen. Für den Finanzsektor sei vielleicht eine rationale Lösung denkbar. In allen anderen Sektoren aber nicht. Die Lage der britischen Wirtschaft sei längst nicht so stabil, wie sie nach aussen erscheine und wohl auch kommuniziert werde, da sie viel zu konsumabhängig sei. Politisch gäbe es auf absehbare Zeit in Großbritannien keine wirksame Opposition mehr. Die Labour-Partei habe sich selbst zerschlagen. Eine lange Zeit der Herrschaft der konservativen Tories steht bevor.

Konzentriert oder abgelenkt? Teilnehmer am SZ-Finanztag
Quelle: Thomas Seidel

Dunkel ist auch das Bild, welches Andrea Enria von der europäischen Bankenaufsicht (EBA) über die europäische Bankenlandschaft zeichnet. Wegen der mangelnden Profitabilität würden die europäischen Banken nach wie vor Geld verbrennen. Es würden wohl noch gut fünfzehn Jahre ins Land gehen, bis allein die derzeitigen Kreditausfälle abgebaut seien. Die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Banken ließe sich nur durch die Verwirklichung eines Single Markets erreichen.

In einer ersten Podiumsdiskussion zum Thema Brexit mahnen die Teilnehmer an, nicht der Standort einer europäischen Einrichtung sei letztlich entscheidend, sondern die richtige Architektur für ein europäisches Finanzwesen. Man solle in der EU nicht glauben, in den nächsten zehn Jahren auch nur ansatzweise einen Ersatz für den Finanzplatz London nachbilden zu können. Vielmehr sei zu befürchten, dass ein wesentlicher Teil des europäischen Kapitalmarktgeschäfts sogar nach New York abwandern könne.

John O'Farrell im Gespräch mit Andrea Rexer
Quelle: Thomas Seidel
Den Kernsatz der Veranstaltung, die das Motto „Zwischen Sparzwang und Innovation“ hatte, formulierte John O’Farrell vom Venture Capital Unternehmen Andreessen Horowitz. „Mobile changes everything“ (mobiles Banking verändert Alles). Zu der Frage wie sich die Bankenlandschaft durch Fin-Techs verändert, hat O’Farrell die einfache und praktische Antwort, wer die Brieftasche der Kunden kontrolliere, kontrolliere das künftige Bankgeschäft. So einfach klar und deutlich kann man die Sache auf den Punkt bringen.

Dagegen hält Uwe Fröhlich vom Bundesverband der Raiffeissen- und Volksbanken (BVR) jeglichen Fortschritt seitens von Fin-Techs für schlicht überbewertet. Fin-Techs könnten höchstens Technologietreiber sein. Eine solch harte Gegenposition kann nur von einem deutschen Bankenverbandsvertreter stammen und steht sehr im Einklang mit den Aussagen der Deutschen Sparkassen, die auf dieser Veranstaltung allerdings nicht vertreten waren.

Für die deutsche Bankenaufsicht sprach deren Präsident Felix Hufeld. Er schildert die Bankenaufsicht als flexibel, was die Anforderungen an Kreditinstitute verschiedener Größe angeht. Nur die größten Banken müssten allen Aufsichtsanforderungen gerecht werden. Die allerdings werden aber auch nicht von einer nationalen Behörde beaufsichtigt. Interne Risikomodelle treten durch die Regelungen nach Basel III mehr und mehr in den Hintergrund. Offiziell geht es dabei immer um die bessere Vergleichbarkeit und Transparenz. Man wird aber das Gefühl nicht los, alle Aufsichtsbehörden in Europa scheinen mit internen Risikomodellen nach Basel II schlicht überfordert. Neben die bilanzbasierte Aufsicht, komme immer deutlicher die verhaltensorientierte Aufsicht zum Tragen. Was Fin-Techs für die Bankenaufsicht bedeuten, wird aus den Äußerungen von Felix Hufeld nicht wirklich klar. Man bekommt den Eindruck, als sei die Aufsicht in diesem Thema noch nicht klar positioniert. Freilich kündigt Hufeld für Fin-Techs den Aufbau eines neuen Referats im BaFin an. Darauf freuen sich die Fin-Techs bestimmt schon!

Felix Hufeld Deutsche Finanzaufsicht (BaFin)
Quelle: Thomas Seidel
Auch die Akademia kam mit Isabel Schnabel von der Uni Bonn zu Wort. Die zur Zeit auch als Wirtschaftsweise die Berliner Politik beratende Wirtschaftswissenschaftlerin hält den Bankensektor für unterkapitalisiert. So sei eine Leverageratio von 3-4 Prozent unangemessen niedrig. Angestrebt werden solle ein Satz von mindesten 5 Prozent, bei systemrelevanten Banken auch gerne mehr. Darüber hinaus sieht Frau Schnabel Handlungsbedarf im Thema der Verknüpfung von Staat und Banken. Ihr Beispiel dafür ist vor allem das deutsche Sparkassenwesen. Da wird sich Herr Fahrenschon vom Deutschen Sparkassenverband sicherlich für diese thematische Steilvorlage bedanken.

Dorothea Mohn vom Verbraucherschutz beklagt, trotz aller Regulierung sei ein Kernproblem nicht angegangen worden, der andauernde Interessenkonflikt beim provisionsgetriebenen Vertrieb von Finanzprodukten. Die einzig denkbare Lösung dazu, sei die Einführung einer kostenpflichtigen Finanzberatung und der davon streng getrennte Verkauf der Finanzprodukte. Freilich ist auch dem Verbraucherschutz die gespaltene Haltung der deutschen Verbraucher bewusst. Auf der einen Seite sei man nicht bereit, offensichtlich für eine Finanzberatung etwa einmal ein paar hundert €uro zu bezahlen. Auf der anderen Seite nehme man es hin, aber mit tausenden von €uro für Provisionen abgezockt zu werden, solange dies nur nicht offensichtlich seien. Daher schlägt Frau Mohn vor, künftig bei Finanzabrechnungen ganz genau den Produktpreis und die Provision dafür getrennt voneinander auszuweisen. Das erscheint einem wie eine leichte Übung, ist politisch aber bislang nicht durchzusetzen.

Zur Geisterstunde eine Geisterrunde
Alexandra Borchardt SZ, Michael Mandel Commerzbank, Spiros Margaris
Margaris Advisory, Hermann j. Merkens Aareal Bank, Michael Rüdiger Deka Bank
Quelle: Thomas Seidel



Der Finanztag klang aus, mit einer seltsamen Diskussionsrunde über die Frage, woher die künftigen Erträge im Bankgeschäft kommen sollen. Die Geisterdiskussion darüber machte wieder einmal deutlich, wo die Finanzbranche wirklich steht. Sehr beispielhaft hat der Hickhack bei der Deutschen Bank über das Out- und Insourcing der Postbank gezeigt, die Branche hat insgesamt weder ein tragfähiges Geschäftsmodell noch irgendeine Strategie.

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