Altersversorgung und Altersvorsorge dürfen nicht miteinander verwechselt werden! -Initiative zur privaten Altersvorsorge- von Thomas Seidel
Matthias Dezes von der Maleki Corporate Group GmbH für eine Diskussion (Quelle: Thomas Seidel) |
Wenn in diesen Tagen über die
Schuldenlasten von Ländern wie Griechenland und jüngst Italien in
den Medien berichtet wird und Börsen aufgeregt reagieren, vergisst
man hierzulande gerne mal vor der eigenen Haustür nachzusehen. Dann
würde man vor einem gewaltigen Berg von Ruhestandsverpflichtungen
stehen, von dem Keiner weiß wie sie je bezahlt werden sollen. Das
Problem findet in der Öffentlichkeit kaum Beachtung. Unter dem Titel
„Initiative Private Altersversorgung“ hat sich kürzlich eine
Veranstaltung im Rahmen des International Bankers Forum in Frankfurt
mit diesem wichtigen Thema beschäftigt.
Allein der Bund, so berichtete einmal
vor fünf Jahren die FAZ im August 2013, habe Pensionslasten von über
465 Mrd. Euro. Die Bundesländer und Kommunen, die allein Zweidrittel
aller Beamten beschäftigten, entsprechend mehr. Gesamtzahlen gäbe
es nicht. Das sind Lasten, die den aktuellen Schuldenstand von
Griechenland mit etwa 350 Mrd. Euro locker um das Dreifache
übertreffen. Dagegen sehen die Zahlen der Deutschen
Rentenversicherung, in der vor allem die Erwerbstätigen versichert
sind, geradezu mäßig aus. Für 2016 meldet die Deutsche
Rentenversicherung in ihrem Jahresbericht Beitragseinnahmen von 215
Mrd. Euro zuzüglich Bundeszuschuss aus Steuergeldern von etwa 65 Mrd
Euro, denen etwa 259 Mrd Euro für Rentenausgaben gegenüber stehen.
Das gibt bei einer Anzahl von 20,9 Mio Rentnern rechnerisch eine
Monatsrente von etwa 1.032,00 Euro. Trotz aller Verzerrungen durch
die vereinfachte Darstellung wird sofort deutlich, wie wichtig eine
zusätzliche private Altersvorsorge ist.
Prof. Dr. Bert Rürup führt wissenschaftlich in das Thema ein (Quelle: Thomas Seidel) |
Der Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Bert
Rürup zu diesem Thema ist gleichermaßen inspirierend wie
frustrierend. Das deutsche Ruhestandssystem sei ein Patchwork aus
gesetzlicher Rente, Renten für Landwirte, Beamtenpensionen,
berufsständischen Versicherungen, betrieblicher Altervorsorge und
privater Altersversorgung. Wichtig ist es, hier den elementaren
Unterschied bei den Begriffen zu verstehen. Betriebliche
Altersversorgung ist eine Leistung der
Arbeitgeber. Bei der betrieblichen Altersvorsorge
müssen die Arbeitnehmer die Leistung erbringen. Natürlich wird in
Zeiten des verstärkten globalen Wettbewerbs von den Arbeitgebern
immer mehr auf Altersvorsorge gesetzt und damit auf die
Leistungserbringung durch der Arbeitnehmer. So macht ein Buchstabe im
Wort den Unterschied beim Leistungserbringer aus!
Rürup macht auch deutlich, dass die
Altersvorsorge nichts mit einer Vermögensbildung zu tun hat. Sie sei
vielmehr eine Wette auf den Tod und überhaupt nur in einem Kollektiv
möglich. Je größer dieses Kollektiv sei, desto effektiver würde
es funktionieren. Doch das Kollektiv schwindet. Seit Mitte der 1980er
Jahre gäbe es einen tendenziellen Rückgang der Lohnquoten am
Bruttoinlandsprodukt. Damit einher sinken auch die Umlagen für die
Altersvorsorge. Die Entwicklung geht aber noch weiter. In der
modernen Arbeitswelt nehme die Selbstständigkeit zu. Zur
gesetzlichen Altersvorsorge tragen aber im Wesentlichen
nichtselbständig Erwerbstätige bei. Schließlich sorge die
zunehmende Digitalisierung dafür, dass Arbeit ihre lokale Bindung
verliert, weil digitalisierte Aufgaben irgendwo im Netzwerk erledigt
werden könne.
Tarek Al-Wazir Hessischer Wirtschaftsminister (Quelle: Thomas Seidel) |
Zwar sieht Rürup die gesetzliche
Altersvorsorge insgesamt positiv, es gäbe aber vor allem
Anpassungsprobleme. Jede Anpassung dauere etwa 40 Jahre. Aber keine
Reform habe bisher mehr als sieben Jahre gehalten. Es liegt auf der
Hand, die gesetzliche Rentenversicherung reicht für eine
Altersvorsorge nicht aus. Jeder müsse zusätzlich etwas dafür tun.
Doch für eine Entscheidungsgrundlage fehlt den Bürgern eine
allumfassende Renteninformation.
Die private Altersvorsorge sei
gleichzeitig erfolgreich und gescheitert, so Susan Spinner vom
Berufsverband der Chartered Financial Analysts (CFA Society Germany
e.V.). Insbesondere der sogenannten Riesterrente hätten Bürokratie
und Nullzins den Garaus gemacht. Dem kann sich auch Tarek Al-Wazir
als hessischer Wirtschaftsminister nicht entziehen. Zwar habe sich
die gesetzliche Rente besonders in der gegenwärtigen Nullzinsphase
bewährt, doch bleibe die demographische Entwicklung problematisch
und der Bundeszuschuss für die Rente würde inzwischen an seine
Grenzen kommen. Vor diesem Hintergrund hat die hessische
Landesregierung schon vor einiger Zeit über den Bundesrat ihre Idee
einer „Deutschlandrente“ ins Spiel gebracht. Sie soll, stark
vereinfacht und standardisiert, auch Arbeitnehmern in kleinen und
mittleren Betrieben eine Teilhabe an der Möglichkeit einer privaten
betrieblichen Altersvorsorge geben. Dazu müssten allerdings die
Kosten für eine Fondsanlage radikal reduziert werden, das
Anlagevermögen einen höheren Aktienanteil bekommen und das
Fondsvermögen nach Artikel 14 Grundgesetz (Eigentumsgarantie) vor
allem vor dem Zugriff gieriger Politiker geschützt sein. Wohl an
denn!
An dieser Stelle lohnt sich ein Blick
auf die Aussenwelt. Die Volkswirtschaftlerin Prof. Dr. Christina
Wilke vom FOM Hochschulstudienzentrum in Bremen gewährte dazu
Einblicke. Offensichtlich gibt es zwei Grundtypen von gesetzlichen
Rentenversicherungssystemen:
Prof. Dr. Christina Wilke FOM Hochschulstudienzentrum (Quelle: Thomas Seidel) |
Das „Bismarck-Modell“ welches die
Lebensstanddardsicherung zum Ziel hat, gilt nur für versicherte
Arbeitnehmer. Es wird aus Beiträgen von Arbeitnehmern und
Arbeitgebern und teilweise aus Steuermitteln finanziert. Die
Leistungen sind abhängig von der Erwerbshistorie. In diesem System
spielt die private Altersvorsorge bislang eher eine geringe Rolle.
Das Bismarck-Modell kommt vor allem in Deutschland, Frankreich,
Italien aber auch etwa in Schweden zur Anwendung.
Dagegen hat das Beveridge-Modell
(benannt nach dem britischen liberalen Parlamentarier William Henry
Beveridge aus den 1940er Jahren) nur die Sicherung des
Existenzminimus als Ziel. Es gilt für die Gesamtbevölkerung und
wird aus Steuermitteln finanziert. Die Leistungen sind einheitlich
und die private Altersvorsorge spielt eine hohe Rolle. Das
Beveridge-Modell wird vor allem in Großbritannien, Irland, den
Niederlanden aber auch in Dänemark angewandt.
(A. d. R. : Das Social Security-System
in den USA ähnelt eher dem Bismarck-Modell, kann aber wegen der
vergleichsweise geringen Beiträge (z.Z. Gesamtbeitrag 15,3 Prozent)
nur eine Grundsicherung abdecken. Es wird hälftig aus Beiträgen von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern gespeist, allerdings sind auch
Selbstständige pflichtversichert, die dann den Gesamtbeitrag
einzahlen müssen. Die Rentenhöhe richtet sich nach der
tatsächlichen Beitragsleistung. Ergänzen kann man die Sozialrente
durch ein einfaches Zuzahlungssystem den sogenannten „401 (K)
Plan“. Der seltsame Begriff steht für eine Kode der
Steuerbehörden. Es handelt sich um einen freiwilligen
steuerbegünstigten privaten Vorsorgeplan. Der Arbeitnehmer
entscheidet sich freiwillig, einen Teil seines Einkommens, etwa 2 bis
3 Prozent, direkt vom Lohn für einen Rentensparplan abgezogen zu
bekommen. Üblicherweise, aber nicht gesetzlich verpflichtet, legen
Arbeitgeber in den USA für jeden so gesparten Dollar aus ihrer Kasse
noch einen Dollar drauf.)
Schüler einer Lüneburger Schule und Gewinner des Schülerwettbewerbs econo=me 2016/17 (Quelle: Thomas Seidel) |
Als die größte Schwäche in
Deutschland stellt sich aber die weit verbreitete Unkenntnis in
Finanzsachen heraus. Wie bereits erwähnt, ist die Informationslage
der Verbrauer schlicht mangelhaft. Deswegen hat die Veranstaltung
unter dem Motto „Macht Berlin Politik gegen die junge Generation“
Schüler einer Lüneburger Schule eingeladen, die Gewinner des
Schülerwettbewerbs econo=me 2016/17 waren. Bei der Diskussion mit
den Schülern stellte sich heraus, dass die junge Generation
künftiger Rentenbeitragszahler Zugang zu dem Thema vor allem nur
unter Anwendung moderner virtueller Medien bekommen kann. Schüler
wie Lehrer wünschen sich wenigsten eine rudimentäre Ausbildung in
Finanzsachen. Wie ein Schüler es ausdrückte: Es sei nett zu wissen
wie mathematisch eine Parabel funktioniere, doch seien Kenntnisse um
Finanzsachen doch wesentlich wichtiger für das Alltagsleben. Dennoch
neigen auch die Schüler eher dazu, sich einem allumfassend regelnden
Staat anzuvertrauen, als letztlich selbst die Initiative zu ergreifen
und für die eigenen Finanzen Verantwortung zu übernehmen. Es ist
nicht zuletzt diese, seit Generationen andauernde,
Fürsorgebequemlichkeit, die in Deutschland die Regelungen zur
Altersvorsorge von Arbeitnehmern zu einem Spielball parteipolitischer
Interessen und Taktikspielchen gemacht hat.
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