Die EZB kündigt das Ende ihres Ankaufprogramms an -Bericht von der heutigen EZB-Pressekonfernez- von Thomas Seidel

Die EZB-Pressekonferenz fand heute in der lettischen Hauptstadt Riga statt
(Quelle: EZB Webcast Thomas Seidel)


Nach über zwölf Monaten eines De-facto-Stillstands bei geldpolitischen Entscheidungen hat die Europäische Zentralbank heute in Riga den lang erwarteten Schritt angekündigt, das ausserordentliche Ankaufsprogramm schrittweise bis Ende Dezember 2018 zu beenden. Auch wenn dieser Schritt von der Fachöffentlichkeit längst erwartet worden war, diese Entscheidung führt mittelfristig zu manchen bedeutenden Veränderungen.

Um es gleich vorweg zu nehmen, die Entscheidung das ausserordentliche Ankaufprogramm zu beenden kommt mit einer Handbremse daher. In der Befragung durch Journalisten auf der Pressekonferenz machte EZB-Präsident Mario Draghi klar, ein Ankaufprogramm sei inzwischen zu einem normalen geldpolitischen Instrumentarium einer Zentralbank geworden und könne jederzeit wieder angewendet werden. Konkret will man nach dem September 2018 den Umfang der Ankäufe zunächst auf 15 Mrd. Euro monatlich reduzieren und ab Januar 2019 dann vorerst ganz aussetzen. Sämtliche Leitzinsen bleiben bis auf weiteres unverändert.

EZB Präsident Mario Draghi verkündet das Ende des Ankaufprogramms
(Quelle: EZB-Webcast Thomas Seidel)
Der Stopp des Ankaufprogramms bedeutet aber nicht, dass die Schuldscheinemittenten nunmehr bei Fälligkeit ihre Schulden auch zurück zahlen müssen. Dazu wären die meisten Emittenten auch gar nicht in der Lage. Daher formuliert die EZB in ihrem heutigen Beschluss, das sie die fälligen Anleihen reinvestieren wird! Das ist wichtig, denn das heißt, man bezahlt eine fällige Anleihe, indem man eine neue begibt. So bleibt der Bestand an angekauften Anleihen bei der EZB und damit ihre Bilanzsumme aus diesen Geschäften zunächst unverändert. Dies gilt ohne weitere zeitliche Beschränkung. Man will auf jeden Fall einer Verengung der Liquidität vorbeugen. Mit anderen Worten, die EZB hat nur entschieden den Berg angekaufter Anleihen nicht weiter anwachsen zu lassen!

Als Grund für ihre Entscheidung gibt die EZB an, ihr wesentliches Ziel, eine Inflationsrate knapp unter zwei Prozent erreicht zu haben. Man geht von einer Inflation von zur Zeit 1,9 Prozent aus und erwartet, dass dieser Level bis 2020 mehr oder weniger anhalten wird. Die Wirtschaft erhole sich, das allgemeine Lohnniveau steige und die Kreditvergabe an Firmen und private Haushalte zeige ein Wachstum um die drei Prozent.

Der neue EZB-Vicepräsident Luis de Guindos nimmt zu Detailfragen Stellung
(Quelle: EZB Webcast Thomas Seidel)
Allen Zweiflern tritt Mario Draghi entgegen. Man sähe bei Staatsanleihen kein Denominationsrisiko. Die Parlamentswahl in einem von 19 Ländern solle man nicht dramatisieren. Die in den letzten Jahren erzielten wirtschaftlichen Fortschritte dürfen nicht klein geredet werden. Der EURO sei eine unwiderrufliche Einrichtung, sehr stark und nachgefragt. Auf Diskussionen die gegen den EURO von manchen geführt werden und die Ansicht des deutschen Ökonomen Clemens Fuest, es müsse auch eine Ausstiegsmöglichkeit aus dem EURO geben, geht Mario Draghi charmant lächelnd gar nicht erst ein.

Die Kritik, die anhaltend niedrigen Zinssätze der EZB würden dazu beitragen die Vermögen von Sparern dahin schmelzen zu lassen, lässt Draghi nicht auf sich beruhen. Für die Geldanlage gäbe es gut rentierliche Alternativen und etwa Pensionsfonds würden zeigen, dass sich auch in Zeiten sehr niedriger Zinsen noch gute alternative Renditen erzielen lassen.

Die Fragen der Journalisten bereichern die Pressekonferenz
(Quelle: EZB-Webcast Thomas Seidel)
Auswirkungen von sich ändernden konditionellen Rahmenbedingungen in der Weltwirtschaft, etwa durch Zölle, können momentan noch nicht festgestellt werden, da diese Maßnahmen zum Teil noch gar nicht in Kraft seien. Kritik aus Italien, im Monat Mai habe die EZB weniger italienische Anleihe wie üblich angekauft, weist Draghi zurück. Neben Italien sei auch das Ankaufsvolumen etwa von Frankreich, Belgien und Österreich geringer gewesen als in anderen Vormonaten. Draghi macht deutlich: eine Konspiration gegen Italien fände nicht statt.

Die EZB hat sich mit ihrer Entscheidung das ausserordentliche Ankaufprogramm zu beenden sehr viel Zeit gelassen, zumindest gemessen an dem Zeitplan im Vergleich mit dem amerikanischen Federal Reserve System, der dortigen Zentralbank für den US-Dollar. Zehn Jahre nach Lehman und im zwanzigsten Jahr ihres Bestehens, ist das Signal der EZB wichtig, dass inzwischen wieder eine gewisse Normalität in Europa und dem EURO-Raum eingetreten ist. Wie lange diese Normalität allerdings anhalten wird, kann niemand voraus sehen. Trotz aller wirtschaftlichen Erholung, die Politik in Europa hat die Zeit nicht genutzt und keine ihrer Hausaufgaben gemacht. Statt dessen nehmen die nationalen protektionistischen Kräfte zu. In weniger als neun Monaten steht der Brexit vor der Tür. Keiner weiß bis heute, wie die englische Wette darauf ausgehen wird. Ebenso wening weiß man, welche Folgen das für die europäische Konjunktur und damit für die Entscheidungsbasis der EZB hat.

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