Wettbewerb um den künftigen europäischen Kapitalmarkt -Britische Planspiele zum Brexit- von Thomas Seidel

Diskussionsrunde auf dem Frankfurt Finance Summit
(Quelle: Thomas Seidel)


Am Rande des gestrigen Frankfurt Finance Summit, zu dem alljährlich hochrangige Vertreter der Finanzbranche zusammen kommen, trafen wir in einer exklusiven und sehr kleinen Gesprächsrunde die britische Regierungsvertreterin Katherine Braddick zu einem Hintergrundgespräch über den Stand des allgegenwärtigen Brexit.

Die Direktorin im britischen Finanzministerium schildert das Ausmaß der Arbeit wegen des Brexit in der britischen Regierung. So sei ihr Bereich zu über 50 Prozent mit Brexit-Aufgaben belastet. Natürlich befindet man sich angesichts einer solch einmaligen Situation in einem governmentalen Ausnahmezustand. Das gelte auch für die Arbeitsebene bei den Regulatoren und Zentralbanken zwischen Großbritannien und der EU. Schon zeichne sich beispielsweise ab, dass es bei Kontrakten mit sehr langen Zyklen (Laufzeiten 5 Jahre und länger) zu Problemen kommen könnte. Es läßt sich derzeit nicht absehen, wie die Regulatoren künftig mit solchen Geschäften umgehen werden.

Katherine Braddick (ganz links)
(Quelle: Thomas Seidel)
Doch habe der Brexit bei weitem nicht nur Auswirkungen auf die Finanzindustrie. Für viele Firmen, die von dem Austrittsbeschluss betroffen sind, sei das eine wesentliche Frage. Britische Banken verlagern vor allem da Geschäfte nach Europa, wo sie eine qualitative Fortführung ihres Kundenservice sicher stellen wollen. Der historische Vorteil der britischen Finanzindustrie sei vor allem die Verfügbarkeit von echten Talenten in dieser Branche gewesen.

Konkurrenz im Kapitalmarktgeschäft
Bislang ist London der einzig bedeutende Kapitalmarktplatz in Europa. Mit dem Brexit wird dieser Markt zukünftig ausserhalb der Europäischen Union liegen. Wir sprachen Mrs. Braddick auf die Bestrebungen an, in Luxemburg eine neue europäische Kapitalmarktbörse zu etablieren (Wir hatten darüber bereits ausführlich berichtet). Man sieht solche Bestrebungen in der britischen Regierung offensichtlich sehr sportlich. Man sei bereit, sich künftig in Sachen Kapitalmarkt einem Wettbewerb zu stellen. Probleme sehe man allerdings dann entstehen, wenn sich der Geschäftsbetrieb in Luxemburg beginne zu industrialisieren, mit anderen Worten vom Volumen und Transaktionszahl sich dem britischen Kapitalmarkt anzunähern.

Gelegenheit für Geschäftskontakte auf dem Frankfurt Summit
(Quelle: Thomas Seidel)
Verlagerung des Fokus
Mit dem Austritt aus der Europäischen Union wird sich mit Sicherheit der Fokus der ganzen britischen Wirtschaft verschieben. Während der über vierzigjährigen Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU wurden vielleicht die Beziehungen zum ehedem kolonialen Commonwealth of Nations vernachlässigt. Das wird sich mit bestimmt ändern. Besonders der Handel mit Kanada und Australien und nicht zuletzt den Vereinigten Staaten wird für Großbritannien künftig wieder an Bedeutung zunehmen. Es scheint, die britische Regierung ist gewillt künftig den Blick von Europa abzuwenden.


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