Finanzplätze in Europa -Ein Schönheitswettbewerb- von Thomas Seidel


Nachbau des Palais Thurn & Taxis in Frankfurt
(Quelle: Thomas Seidel)
Im stielvollen jedoch kühlen Rahmen des wieder aufgebauten Frankfurter Palais #Thurn & Taxis veranstalteten der Promotor #Luxemburg for Finance und die #Börsenzeitung einen kleinen Schönheitswettbewerb vor Publikum aus der Finanzwelt. Entsprechend teuer waren teilweise die Maßanzüge deren Träger. Im Kern ging es darum, welcher Finanzplatz denn nun nach dem #Brexit auf dem europäischen Kontinent die Krone als attraktivster Standort aufgesetzt bekommt. Welcher Ort das auch immer sein wird, es stellt sich heraus, für alle Bewerber ist die Londoner Krone viel zu groß und viel zu schwer.

Die Kandidatinnen waren naturgemäß nur die Städte #Luxemburg und #Frankfurt. Paris wurde zwar einmal namentlich erwähnt. Es liegt aber auf der Hand, dass bei der eher anglophilen Finanzgemeinde die welsche Hauptstadt nicht wirklich in Frage kommt. Für Luxemburg stellte sich Robert Scharfe Geschäftsführer der Luxemburger Börse in den Ring, sowie Julien Zimmer Generalbevollmächtigter der DZ Privatbank. Für Frankfurt sollte Hubertus Väth kämpfen, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance. Eine merkwürdige Zwitterrolle nahm Dr. Thomas Schindler von Allianz Global Investors ein. Schindler agiert zwar von Luxemburg aus, arbeitet für ein in München ansässiges Mutterhaus, fühlt sich aber als Global Investor gleich auf der ganzen Welt Zuhause. Als Ringrichter übte sich Dr. Detlev Fechtner von der Börsenzeitung in allgemeinen Höflichkeiten.

Gleich zu Beginn werden für Luxemburg alle Vorteile in den Ring geworfen. Stark sei man dort im #Fondsgeschäft. Man verwalte rund 4.500 Fonds, 4 Billionen €uro schwer und das über 70 Länder hinweg. Man muss aber zugeben, dass beim Spezialfondsgeschäft Deutschland unschlagbar führend sei. Weniger bekannt, aber gleichfalls gewichtig, die Bedeutung von Luxemburg im Versicherungsgeschäft und bei Kapitalmarkttransfers sowie dem Wealth Management. Nach den unleidigen Steuerthemen habe zwar die Anzahl der Kunden abgenommen, gleichwohl sei das Volumen aber gestiegen. Immer wieder gelobt wird die besonders konstruktive Zusammenarbeit mit der Luxemburger Aufsicht. Das ist auch ständig ausserhalb dieses Schönheitswettbewerbs zu hören. Während die deutsche Finanzaufsicht (BaFin) wohl eher nach wie vor den preußisch konfrontativen Beamtenstiel á la „Hauptmann von Köpenick“ bevorzugt, sind die Behörden in Luxemburg bemüht, die Dinge zum Laufen zu bringen und sie am Laufen zu halten. Luxemburg wirbt auch mit modernsten Infrastrukturen, vor allem in der IT-Technologie. Man mache sich attraktiv für #FinTechs und pflege engste Zusammenarbeit mit der noch jungen aber sehr international ausgerichteten Luxemburger Universität. Nur mit dem werktäglichen Verkehrschaos am Kirchberg kommt die Stadt irgendwie nicht zurecht, hoffte aber auf eine spürbare Entlastung durch die künftige Tram. Selbst aus Frankfurt wird Luxemburg attestiert, auch noch die Benchmark schlechthin für die Vermarktung eines Finanzplatzes zu sein.

v.l.n.r. Hubertus Väth, Robert Scharfe, Dr. Detlef Fechtner, Julien Zimmer und
Dr. Thomas Schindler
(Quelle: Thomas Seidel)

Zweifelsohne tun sich die eher drögen Hessen in Punkto Selbstvermarktung immer noch sehr schwer. Eine gelungene Kampagne bekommt man nicht auf die Beine gestellt. Ähnliche Auftritte und Promotion wie sie etwa Luxemburg for Finance hinlegt, gelingen einfach nicht. Das gilt im Übrigen auch für den internen Wettbewerb als attraktiver Standort für FinTechs zwischen Frankfurt und Berlin. Dazu wurde einmal gesagt, ein Werbebudget von 2 Mio €uro sei nichts. Frankfurt muss bei der Attraktivität in Deutschland immer gegen München, Berlin, Hamburg und Köln kämpfen.
Offensichtlich glaubt man in Hessen, Frankfurt habe bereits so viele Schwergewichte wie die #Europäische Zentralbank, die Bankenaufsicht, die Banken an sich und den Flughafen, Europas größter Internet-Hub und die Goethe-Universität, so dass deren Schwerkraft allein schon ausreichend sei, auf allen anderen genügend Anziehungskraft auszuwirken. Das mag zwar so sein, aber all diese Epizentren arbeiten immer noch eher jeder für sich, anstatt wirklich alle zusammen. In der öffentlichen Diskussion genießt die Frage der Umsiedlung der #Europäischen Bankenaufsicht (EBA) von London weg viel Aufmerksamkeit. Doch tatsächlich handelt es sich dabei um eine Einhundertfünfzig-Mann-Veranstaltung, die im Wesentlichen lediglich Standardisierungsvorschläge erarbeitet und nicht wirklich irgend etwas beaufsichtigt. Viel wichtiger für Frankfurt sei die Frage, wohin das in London angesiedelte #Euro-Clearing gehe. Dort werden täglich Derivatgeschäfte im Wert von mehreren hundertmilliarden €uro durch tausende von Mitarbeitern abgewicklet.

Vor lauter gockelhaftem Getue tut es gut, warnende Stimmen zu hören, die einen Blick von einem globalen Standpunkt aus auf die Szene werfen. Beim Brexit gehe es darum den Finanzplatz Europa als Ganzes nicht zu schädigen. Sorgen würden auch die Bestrebungen verursachen, bestimmte Transaktionen und Geschäftsabwicklungen gar ganz aus dem Euroraum auszulagern. Es gäbe sogar Marktteilnehmer die darüber nachdenken, ob man angesichts der Fülle von Vorschriften einige Geschäfte überhaupt noch betreiben solle. London dürfe auch nach dem Brexit als Finanzplatz nicht unterschätzt werden.

Für die zu treffenden Entscheidungen bleibt nicht mehr viel Zeit. In rund 18 Monate findet der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union automatisch statt. Zur Zeit gibt es drei sehr widersprüchliche Signalgeber aus der Londoner Regierungsumgebung. Es gibt einen „Rette noch was zu retten ist“-Plan vom britischen Schatzkanzler #Philip Hammond. Es gibt den „Fahr mit Vollgas gegen die Wand“-Plan von Außenminister #Boris Johnson und den „Ich weiß nicht was ich durchsetzen kann“-Plan von Premierministerin #Theresa May. Die betroffenen Institutionen und Unternehmen haben nicht die Zeit zu warten, bis sich vielleicht mal irgendeine geschlossene Regierungsmeinung in Whitehall heraus bildet. Die Vorstellung einer mittelfristigen smarten Übergangsphase, so die Teilnehmer, sei absurd.

Weder eine Wahl, geschweige denn eine Kür zur Schönheitskönigin wird stattfinden. Vielmehr wird es zu einem iterativen Prozess kommen, wenn einzelne Stücke des Londoner Finanzmarktes nach und nach abbröckeln. Wer sich vielleicht in ein paar Jahren die Krone als der Finanzplatz von Kontinentaleuropa aufsetzen kann, ist heute nicht auszumachen. In jedem Fall aber wird diese Krone schwer auf dem Haupte des Gewinners liegen und nicht leicht zu tragen sein.

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