Was kluge Geldpolitik leisten könnte -Eine Lecture von Bundesbankpräsident Dr. Jens Weidmann- von Thomas Seidel


Teilansicht der Frankfurter Goethe-Universität
(Quell: Thomas Seidel)

Das englische Wort „lecture“ kann in der deutschen Sprache vielfältige Übersetzungen haben. Das reicht von einem einfachen Vortrag über eine Belehrung bis hin zu einer Standpauke. In diesen Tagen hielt der Präsident der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann an der Frankfurter Goethe-Universität einen glänzenden Vortrag zum Thema „Die Geldpolitik nach der Krise“.

Nach einer historischen Einleitung macht Weidmann den Umfang der Geldschwemme im Euroraum mit wenigen Zahlen plakativ: Die sogenannte Überschussliquidität sei von Juli 2007 bis Ende 2008 von 1,2 Mrd €uro auf 230 Mrd Euro (das ist das ungefähr das 192-fache) explodiert. Bis heute wuchs die Überschussliquidität auf 1.668 Mrd Euro an (das ist das 1.390-fache). Wenn man bedenkt, dass in den USA, Japan und Großbritannien ähnliche Liquiditätsausweitungen stattfanden, hat man es zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise schon mit einer Art finanziellem Urknall zu tun.

Mit ihren reichlichen Liquiditätsangeboten haben die Zentralbanken den kollabierten Interbankenmarkt ersetzt, der mangels Vertrauen der Banken untereinander mit Beginn der Krise zusammenbrach. Das kann für eine kurzfristig und vorübergehende Notmaßnahme durchaus gerechtfertigt sein. Beim Terroranschlag vom 11. September 2001, mitten im Finanzzentrum von New York, hielt das amerikanische Zentralbank-System Federal Reserve für einige Tage und Wochen das Funktionieren aller Banken auch mit sprunghaft ausgeweiteten Liquiditätshilfen aufrecht. Doch normalisierte sich diese Situation schnell wieder. Seit dem Beginn der Finanzkrise sind inzwischen aber über zehn Jahre vergangen.

Infolge dessen, so Weidmann, überleben bis heute manch faule Banken. Diese geben immer noch Kredite an wenig produktive Firmen, statt an innovative Unternehmen. Wohin das führe, zeige sich am deutlichsten in Japan. Dort kommt man seit über zwanzig Jahren, trotz unvorstellbarer Liquiditätsmengen die die Bank of Japan in die Wirtschaft pumpte und pumpt, einfach nicht aus einer Wachstumsfalle heraus.

Bundesbankpräsident Dr. Jens Weidmann
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Weidmann erklärt, schwache Banken begünstigen schwache Unternehmen, die Verteilung der Finanzierungsmittel werde ineffektiv und die Innovationskraft und Dynamik einer ganzen Volkswirtschaft leide. Die OECD spricht von „Zombifirmen“, Unternehmen die ihre Kapitalkosten nicht verdienen können. In einigen Ländern Südeuropas reicht da die Range von 16 bis 28 Prozent in solchen Firmen gebundenen Kapitals. In der Folge dämpfen fehlgeleitete Kreditvergaben das wirtschaftliche Wachstum einer ganzen Volkswirtschaft.

Mechanismen zu mehr Disziplinierung begännen bei den Anlegern. Nur wenn Banken auch scheitern können, würden Anleger risikobewusster werden. Die Banken selbst müssen entsprechend mit Kapital ausgestattet sein und ihre uneinbringlichen Forderungen reduzieren. Das Zuviel an Zentralbankliquidität verzerre aber marktgerechte Konditionen am Interbankenmarkt und letztlich den Wettbewerb. Das führe wiederum zu einem Durchschleppen von Instituten ohne tragfähigem Geschäftsmodell.

Die massiven Ankäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) führen unter Umständen zu einer Vergemeinschaftung nationaler fiskalischer Risiken. Mehr noch, einzelne Länder der Europäischen Union könnten bei ihrer Haushaltsdisziplin nachlassen. Zwar versucht man mit verschiedenen Stellschrauben im Regelwerk, für die Käufe von Staatsanleihen eine indirekte Staatsfinanzierung durch die EZB zu verhindern. Doch haben die massiven Ankäufe bereits zu einem Einheitsfinanzierungssatz bei den Euroländern geführt. So werden gerade die nationalen Haushalte von Zinskosten entlastet, die eigentlich hohe Zinskosten als Anreiz zu mehr Haushaltsdisziplin am meisten nötig hätten.

Weidmann macht klar, dass in der Geldmarktpolitik keinerlei schneller Wechsel machbar sei. Zu sehr hängt das erreichte Wirtschaftswachstum am Tropf des billigen Geldes. Weidmann bedient sich einer sehr anschaulichen Metapher. Es gehe nicht darum eine Vollbremsung zu machen, sondern lediglich nicht immer nur mehr Vollgas zu geben.

Die Forschung habe wohl eindeutig aufzeigen können, dass durch die Geldpolitik der Zentralbanken die Risikobereitschaft aller Finanzmarktakteure beeinflusst wird. Die Schlussfolgerung sei, Geldpolitik wirke sich auf die Finanzstabilität aus. Doch rät Weidmann davon ab, die Finanzstabilität neben der Preisstabilität zu einem definierten Ziel der Geldpolitik der Zentralbanken zu machen. Zu gefährlich seien unabsehbare Wechselwirkungen und Interessenkonflikte. Letztlich müssten sich um die Finanzstabilität die Finanzaufsicht und die Politik kümmern. Weidmann plädiert für ein kluges Zusammenspiel von Geldpolitik, Bankenaufsicht und Politik. Geldpolitik bräuchte eine langfristige Perspektive. Die besten Voraussetzungen für wirtschaftliche und finanzielle Stabilität seien Maß und Mitte, aber auch ein beherztes Eingreifen der Verantwortlichen, sobald sich Fehlentwicklungen abzeichnen.

Quelle des Redetext: Deutsche Bundesbank

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Herrschaft der Minderheiten - Ein Essay von Thomas Seidel-

Erneute Verschleierung durch die SPD: Das Ende der Fallpauschale im deutschen Gesundheitswesen -von Thomas Seidel-

Südlich der Alpen* - Ein Reisebericht - von Thomas Seidel