Orwell einmal ganz anders -Bericht von der 3. Bankmagazin-Konferenz für Finanztechnologie- von Thomas Seidel
Ein bisschen Regen, ein bisschen Messe und schon bricht die Verkehrs- infrastruktur zusammen. Stefanie Burgmaier eröffnet die Konfernez mit halbstündiger Verspätung. (Quelle: Thomas Seidel) |
Wie in den
beiden Vorjahren, veranstaltete das #Bankmagazin in Frankfurt an der
Goethe-Universität eine Konferenz für Finanztechnologie. Doch was
noch vor zwei Jahren mit Schwung begann, hat sich inzwischen zu einer
primären Verkaufsveranstaltung entwickelt. Statt einer kritischen
Auseinandersetzung mit-, und akademischen Beiträgen zu dem Thema
stellen verschiedene Unternehmen nur noch ihre Produkte vor.
Schlechtes
Wetter und der, bei der Terminplanung offensichtlich nicht bedachte,
Beginn der Internationalen Automobilausstellung führte zu einer
halbstündigen Verzögerung, vor allem weil diverse Referenten nicht
pünktlich anreisen konnten. Der Veranstaltungsort, das große Kasino
an der Frankfurter Goethe-Universität war nicht geheizt, die
Akkustikanlage hatte wiederholt Probleme. So stand die Veranstaltung
insgesamt unter keinem guten Stern.
Im Ablaufplan
etwas durcheinander gerüttelt,begann der Doppeldoktor Victor
Tiberius, zur Zeit Vorstand bei der Berliner Beteiligungsgesellschaft
Foucault-Hammersteen, mit einem kurzen Überblick. Die Investitionen
in FinTechs seien in Europa von 2015 auf 2016 von 10,9 auf 2,2 Mrd.
Dollar eingebrochen. Für Tiberius befinden sich die #FinTechs auf
einem Weg in das Tal der Tränen, was jedoch einem normalen Zyklus
entspreche und später von einer Erholungsphase gefolgt würde.
Tiberius kann diese Annahme aber nach eigener Aussage nicht belegen.
Die Zeiten zu denen FinTechs Fundraising allein dadurch machen
konnten, potenziellen Investoren zu sagen, man mache etwas mit dem
Internet, seine allerdings vorbei. Die strategische Perspektive von
FinTechs gehe weg vom Wettbewerbsvorteil hin zum Kundennutzen. Man
müsse dem Kunden heute genau das geben was er wolle. Man könne
nicht mehr ein scheinbar nützliches Produkt herstellen und erwarten,
dass die Kunden es dann auch gutieren. FinTechs erarbeiten ihre
Geschäftsmodelle immer weniger durch planerisches Denken, vielmehr
handele es sich um einen iterativen Try-and-Error-Prozess. Ähnlich
wie bei der #Balance-Score-Card müsse ein Geschäftsmodell auf eine
Seite passen.
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Dr. Viktor Tiberius sieht vor allem Probleme (Quelle: Thomas Seidel) |
Um erfolgreich
zu sein, genüge es zwar schon, nur in einer Sache besser zu sein als
die Wettbewerber. Der Fokus müsse aber auf einem spürbar erhöhtem
Kundennutzen liegen. Dabei sollten alle Komponenten des Produkts
einfach, verständlich und klar formuliert sein. Sind die einzelnen
Produktkomponenten nicht kohärent und kompatibel, würden sie am
Markt scheitern.
Generell gelte
für FinTechs, dass sich hierzulande die Kunden in Geldsachen nur
schwer den Umgang mit virtuellen Produkten vorstellen könnten und
nicht von der notwendigen Datensicherheit überzeugt seien. Nach der
Einschätzung von Tiberius, haben etwa nur jedes fünfte FinTech ein
überzeugendes Geschäftsmodel. Es würde also in nächster Zeit noch
zu einem Ausleseprozess in der Branche kommen.
Dr. Sebastian
Schäfer beschäftigte sich insbesondere mit dem Standort #Frankfurt.
Das Silicon Valley, Tel Aviv, London und Berlin hätten laut einer
Studie die notwendigen Ökosysteme für den Aufbau von neuen
Industrien. In dieser vergleichenden und laufenden Studie, war
Frankfurt bisher nicht aufgenommen, das habe man aber in 2016
erreicht, sodass mit ersten Ergebnissen für Frankfurt in 2018
gerechnet werden könne.
Dennoch böte
Frankfurt bereits heute erhebliche Vorteile, gegenüber manchem
innerdeutschen Wettbewerber. So seien von einhundert Gründern im
Rhein-Main-Gebiet, 74 Prozent erfahren, das heißt sie hätten schon
einmal ein #Start-Up gegründet. 88 Prozent der Entwickler hätten
einen entsprechenden Studienabschluss, zum Vergleich im Valley seien
es nur 81 Prozent. Es gäbe vor Ort einen Talentpool von etwa 200.000
Studierenden. Immerhin 61 Prozent der Gründer kooperierten mit der
Industrie, was deutlich mehr sei als in Berlin.
Die Stadt Frankfurt ist noch nicht attraktiv genug, Dr. Sebastian Schäfer (Quelle: Thomas Seidel) |
Es gäbe aber
auch Wettbewerbs-nachteile der Stadt. Es fehle an Venture-Kapital. Im
Schnitt stünden einem Start-Up in Frankfurt nur 276.000 €uro zur
Verfügung. In Berlin seien es 450.000 €uro, im Valley sogar
700.000 €uro. Die Rekru-tierungszeit betrage hier 60 Tage, im Valley
seien es nur vierzig. Mittelfristig strebe man an, Frankfurt unter
die Top 20 der globalen Ökosysteme zu bringen. Die Wachstumsrate
läge derzeit bei 45 Prozent. FinTechs konzentrierten sich hier auf
B2B-Geschäfte.
Bislang sei die
Szene in Frankfurt allerdings noch sehr lokal. Investoren von aussen
fokussierten sich eher auf München, Hamburg und Berlin. Frankfurt
sei immer noch erst auf den zweiten Blick hin attraktiv. So gäbe es
unter anderem keinen Lehrstuhl für Entrepreneurship an der
Frankfurter #Goethe-Universität. Die Stadt und das Land Hessen
müssten verstärkt für den Nachwuchs sorgen.
Einen anderen
Fokus nimmt Dr.
Markus Strietzel von Roland Berger ein. Die neuen Herausforderer
seien #assetlose Unternehmen, Internet-Unternehmen etwa wie Google,
Amazon, Uber, BnB etc. Bei den Banken seinen die Assets bislang ihre
Filialnetze und Kunden, doch beide befänden sich im Schwinden. Die
Banken müssten sich mehr dem B2B-Geschäft öffnen. Für 2030 sieht
Strietzel die Bankdienstleistungen so: Die Multibanken besetzten die
Kundenkontakte, die Techgiganten säßen an der Kundenschnittstelle.
Doch das sei fatal. Die Banken müssten an der Kundenschnittstelle
bleiben und auf die Kundenbedürfnisse besser eingehen. Die Banken
könnten in ihren Geschäftsmodellen mit dem „know your customer“
wuchern. Doch fehle die Konzentation auf diesen Datenschatz. Noch
immer würden die Banken das Thema Digitalisierung allein im Sinne
einer Kostensenkung begreifen. Die Technologie der Banken sei
veraltet und werde durch aufsichtsrechtliche Anforderungen immer mehr
in Anspruch genommen. Für neue Kundenprodukte bleibe da nicht viel
übrig.
Auch für schwierige Konferenzen gilt: Solange das Buffett schmeckt... (Quelle: Thomas Seidel) |
Deutschland
sei, so Strietzel, grundsätzlich gründerfeindlich. Die etablierten
Unternehmen und der Staat seien viel zu starr. Das gelte auch für
die Belegschaft. Es gelänge weder Banken noch Unternehmen einen
digitalen #Mindset in die Köpfe der Mitarbeiter zu bekommen. Im
Vergleich mit Asien und Amerika hinke Europa hinterher. Es fehle an
Kapital, man sei risikoavers, es gäbe keine Kultur der Scheiterns,
um daraus zu lernen und Europa habe keine politische Agenda für die
Zukunft.
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Geht's hier um's Skifahren? Dieter Jurgart beim Verkaufen (Quelle: Thomas Seidel) |
Den
Veranstaltungskasper spielte Dieter Jurgart von den #PSD-Banken. In
flippiger Kleidung, einem showartigen Auftritt und in breitestem
rheinischen Dialekt, brachte seine Präsentation ein bisschen Schwung
in die schon erschlaffende Veranstaltung. Doch ist sein Vortrag vor
allem eine Werbekampagne für die PSD-Banken, die natürlich alles
richtiger und besser machten als alle anderen. Sein Schlachtruf ist,
ein Unternehmen müsse seine kreativen Instinkte ausleben. So weit so
gut, aber in einem Land mit schlechtem Gewissen ob ausgelebter
kreativer Instinkte in der Vergangenheit und dem höchsten Maßstab
allgegenwärtiger politischer Korrektheit, ist ein solch radikaler
Kulturwandel kaum vorstellbar.
In
der Konferenz ging es ja auch um das Thema Sicherheit. Dem nahm sich
dann Gerd Rademann von #IBM an. Er versuchte den Teilnehmern „Watson“
vorzustellen. Das nach dem Gründer von IBM benannte neue Produkt des
Hauses mit dem Anspruch auf #künstliche #Intelligenz, solle bei der
Aufgabe der Analyse von Sicherheitsproblemen helfen. Dazu erkenne #Watson nicht die syntaktischen, sondern die semantischen Beziehungen
von Informationen. Watson müsse man sich im Prinzip als einen leeren
Container vorstellen, der jegliche Art von Informationen, etwa wie
Text oder Videos, aufnehmen könne, scanne, analysiere und die
Zusammenhänge erkenne. Dabei wäre die Fähigkeit eines
Selbstlernmechanismus hilfreich.
Etwas atemlos Gerd Rademann von IBM (Quelle: Thomas Seidel) |
In
Sicherheitsfragen läge das Problem heute bei der Analyse. Es gäbe
viel zu viele Informationen. Menschen seien mit der analytischen
Auswertung des Informationsflusses schlicht überfordert. Kein
Unternehmen könne sich die Anzahl notwendiger Analysten leisten.
Diese Aufgabe übernehme nun Watson. Die Maschine könne viel mehr
Informationen in einem Bruchteil der Zeit aufnehmen und verarbeiten.
Damit bleibe dem Menschen die Zeit, sich auf die Lösung von
Problemen zu konzentrieren. Dieser Vortrag blieb komplex und für
informationstechnologische Laien nicht nachvollziehbar. Auch wenn das
Thema selbst interessant sein könnte, gerade dieser Beitrag war eine
reine Verkaufspräsentation.
Eine
Reihe von Sprechern ging auf das populäre Thema der #Blockchain ein.
Nach einer ausführlichen Definition was denn nun unter dem Begriff #„disruptiv“ oder eben nicht zu verstehen sei, blieb die
Erkenntnis übrig, es handelt sich lediglich um einen modischen
Terminus für Schumpeters alt bekannte „schöpferische Zerstörung“.
Glaubt man den Gurus und Anhängern der Blockchain, ist kaum
vorstellbar, was sich alles mit der Blockchain ändern lassen könnte.
Man fragt sich unwillkürlich, ob in künftigen Gesellschaften
zwischenmenschliche Beziehungen auch nichts anderes werden, als
Einträge in einer Blockchain. Wie dem auch sei, für die
Finanzindustrie sieht Sascha Schwarz die Blockchain erst in 15 bis 20
Jahren als realistisch umsetzbar kommen. Warum? Es gäbe schlicht
viel zu viele vertragliche und rechtliche Hindernisse im Detail.
Wohl
wahr! Solange die Zentralbanken nicht wissen, wie sie Liquidität in
Sachen Sofortzahlung, PSD 2 und Blockchain überhaupt steuern können,
braucht sich in der Branche sowieso niemand darüber ernsthaft
Gedanken zu machen. Denn wenn der Staat die Geldfüsse nicht mehr
wenigstens grob kontrollieren kann, sozusagen den Blutkreislauf des
Staatskörpers an sich, dann bräuchte es am Ende auch gar keinen
Staat mehr. Das ist jedoch genau das Wunschbild der Blockchain. Das
Leben jedes Einzelnen wäre dann nur noch eine „time-line“ in der
Blockchain. Schöne neue Welt.
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