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Zeit der Katharsis -Gesellschaftliche Auswirkungen der Corona-Krise von Thomas Seidel

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Der Schrei von Eduard Munch (Quelle: wikipedia, gemeinfrei, Eduard Munch 1893) Schlimm genug, dass eine Seuche wie Corona zehntausende Menschen infizieren kann und in dessen Folge dann Tausende ihr Leben lassen müssen. Wie schnell sich die Natur gegen die hilflose Menschheit wenden und sie weltweit zumindest massiv bedrohen kann, ist eine gänzlich unerwartete Erfahrung der lebenden Generationen. Doch offenbart die Coronaseuche gnadenlos die gesellschaftlichen Schwächen der Zeit, insbesondere auf der ökonomischen und staatlichen und politischen Ebene. Man kann sehr genau bestimmen, seit wann die modernen Gesellschaften begonnen haben, sich in jene Richtung zu entwickeln, unter der man heute leiden muss. Es ist der 9. November 1989, der Tag des Mauerfalls in Berlin. Auch wenn dieser Tag vor allem einen symbolischen Charakter hat. Seitdem jedenfalls haben sich die gesellschaftlichen Systeme weltweit wesentlich verändert. Die alten Strukturen einer bis dahin weitestgehend bipo

Von der Rolle -Eine gesellschaftskritische Betrachtung- von Thomas Seidel

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Der Anblick solcher leeren Rolle scheint Panik auszulösen Quelle: wikipedia, GNU-Lizenz Urheber: Neptuul Deutschland ist bekannt als das Land der Sparer und Schnäppchenjäger. Gefühlt trifft dies schon unter normalen Umständen besonders auf den Verbrauch von Wasser und Toilettenpapier zu. Keine guten Voraussetzungen für einen sauberen Stuhlgang also. Umso erstaunlicher ist, dass vor dem Hintergrund der Corona-Krise, ausgerechnet Klopapier ganz oben auf der Liste der Hamsterkäufer zu stehen scheint. Bekannt in Deutschland ist ein Witz, wie sich nach einer Darmentleerung mit nur einem Blatt Klopapier angeblich gründlich die entsprechende Körperstelle wieder reinigen lässt. Wie dem auch sei, wissenschaftlich wurden jedenfalls die kulturell sehr unterschiedlichen Reinigungsgewohnheiten untersucht und verglichen. In einer weltweit führenden Nation zum Beispiel, faltet man aus viel Klopapier eine Art Büschel. Hierzulande hingegen wird Blatt für Blatt aufeinander gestapelt und dam

Die Wirkung von Licht und Tiefe -Vincent van Gogh im Städel-Museum- von Thomas Seidel

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Einladung zu einem tieferen Verständnis van Gogh's (Quelle: Thomas Seidel) Das Städel-Museum in Frankfurt am Main zeigt eine kompakte Ausstellung von Werken des niederländischen Malers Vincent van Gogh (1853- 1890). Dabei ist es dem Museum gelungen, das Werk des Malers in einen Kontext mit Bildern anderer Künstler um seine Zeit herum zusammen zu bringen. So steht nicht die sattsam bekannte wechselhafte Biographie des malerischen Ausnahmetalents im Mittelpunkt, sondern der Kern des Werkes selbst. Die Hafenarbeiter in Arles 1888 Museo Nacional Thyssen-Bornemisza Madrid (Quelle: Thomas Seidel) Scheinbar ein wenig ruhig ist es schon geworden um das Städel-Museum, welches in Frankfurt eine der bedeutensten Kunstsammlung Deutschlands beherbergt. Der neue Direktor Philipp Demandt reisst sich, anders als sein Vorgänger Max Hollein, nicht um jeden öffentlichkeitswirksamen Auftritt. Was die Kuratoren der aktuellen van Gogh-Ausstellung allerdings erarbeitet haben, ist wa

Nur nicht die Glocke läuten -Beobachtungen bei der Farewell-Party für Mario Draghi- von Thomas Seidel

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English version Gemeinsame Ovationen zur Europahymne: v.l.n.r. Christine Lagarde, Emmanuel Macron, Angela Merkel, Mario Draghi nebst Gattin, Sergio Matterella, Ursula von der Leyen, Volker Bouffier Quelle: EZB Zum Abschied von Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) geben sich hohe Gäste aus Politik und Wirtschaft in Frankfurt am Main die Ehre. Man zollt dem Mann, der angeblich den €uro vor dem Untergang rettete, viel Dankbarkeit. Die Veranstaltung gibt dem Beobachter einen tiefen Einblick in die inneren Mechanismen der europäischen Bürokratie aber sie gibt keine Auskunft darüber, wie es in Geldsachen nun in Europa weiter geht. So etwas hat die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main noch nicht erlebt. Drei Staats- und Regierungschefs europäischer Länder, eine gewählte EU-Kommissionspräsidentin und eine designierte Nachfolgerin des EZB-Präsidenten treffen sich in Frankfurt am Main in den Räumen der Europäischen Zentralbank, um deren bisherige

Wie die Nutzung des öffentlichen Verkehrs in der Praxis scheitert -Ein Erlebnisbericht- von Thomas Seidel

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Gesamtansicht Flughafen Frankfurt Eine Alternative zum Individualverkehr gibt es nicht (Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: McNam) Heute war geplant zwei Verwandte am Flughafen Frankfurt für einen längeren Urlaub zu verabschieden. Statt wie gewohnt mit dem eigenen Auto zu fahren, hat man alternativ nur öffentliche Verkehrsmittel benutzt. Was gut gemeint und gewollt war, entwickelte sich zu einem Abenteuer, das deutlich macht, dass es zum Individualverkehr auf Jahre hinaus keine praktische und akzeptable Alternative geben wird. Weil die Aufenthaltsdauer am Flughafen unbestimmt war, voraussichtlich nicht aber unter drei Stunden lag, und man ausser der persönlichen Anwesenheit keine andere Verpflichtung hatte, entschied man sich, diesmal nicht mit dem Auto zu fahren, sondern alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln abzuwickeln. Zugegeben, das Hauptmotiv waren die horrenden Parkgebühren von 4,50 €uro pro angefangene (!) Stunde am Flughafen. Aber auch sonst könne man ja mal a

Den Rest sollen die Steuerschrauber besorgen -EZB-Präsident Mario Draghi bereitet seinen Abschied vor- von Thomas Seidel

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Marion Draghi auf der EZB-Pressekonferenz am 12. Sep. 2019 (Quelle: EZB) Wieder einmal hat der EZB-Rat getagt und nach der langen Sommerpause Beschlüsse gefasst. Mario Draghi so scheint es, ordnet seine Hinterlassenschaft. Weder die Ziele noch die Maßnahmen auf dem Weg dahin sind noch richtig nachvollziehbar. Gewinner werden einmal mehr diejenigen sein, die in den letzten acht Jahren eigentlich nichts unternommen haben. Die Protagonisten treten auf (Quelle: EZB) Die heutigen Beschlüsse des EZB-Rates sind schnell zusammen gefasst: Der Negativzins für Bankeinlagen bei der EZB wird noch weiter auf nunmehr 0,5 Prozent gesenkt. Zwar wird erstmals eine gewisse Staffelung eingeführt, aber die Kosten der Zentralbankliquidität werden sich für die Banken erhöhen. Mangels gescheiter Geschäftsmodelle und alternativer Verdienstmöglichkeiten, werden die Banken noch mehr intensiver versuchen ihre Kosten den Kunden aufzudrücken. Das kann man nur noch als indirekte Enteignung der Spa

Der Angriff auf die Unabhängigkeit der Zentralbanken* hat begonnen von Thomas Seidel

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Verfassungsgericht (Quelle Handelsblatt, Urheber: dpa)   Bislang galten Zentralbanken* als die stabilsten und verlässlichsten Bollwerke in einer von politischen und wirtschaftlichen Krisen umtosten Welt. Das Mantra ihrer Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme wurde wie eine strahlende Monstranz vor sie her getragen. In den jüngsten Finanzkrisen haben sie durch ihre Entscheidungen die Weltwirtschaft vor dem totalen Absturz bewahrt. Jetzt zeigt sich, dieser Erfolg wird den Zentralbanken zum Fluch. Auf breiter Front hat der Angriff auf ihre Unabhängigkeit begonnen! Bei Lichte betrachtet war es mit der Unabhängigkeit der Zentralbanken* allerdings nie so weit her. Das hat viel mit ihrer Verfasstheit zu tun. Möglichkeiten der Einflussnahme sind selbst bei weltweit wichtigen Zentralbanken* oft schon in ihren Statuten festgeschrieben. So kann man die Bank of Japan (Nippon Ginko) getrost als vollkommen abhängig von dem Willen des japanischen Finanzministeriums bezeichnen. D

Die Geldüberschwemmung der EURO-Zone hält weiter an -Bericht von der jüngsten EZB-Rat-Sitzung- von Thomas Seidel

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Die übliche Belagerung der EZB-Führung durch Fotojournalisten zu Beginn einer EZB-Pressekonferenz. Doch von rechts kommend, räumt eine Sicherheitsbeamtin auf! (Quelle: Thomas Seidel) Auch gegen Ende seiner Amtszeit als Präsident der Europäischen Zentralbank weicht der EZB- Zentralbankrat nicht von den großen Linien seiner bisherigen Geldpolitik ab. Wenn sich daran etwas ändern soll, so muss es unter der Leitung der designierten Nachfolgerin Christine Lagarde geschehen. Freilich zeichnen sich am Horizont Zweifel an der bisherigen Geldpolitik der EZB ab. Unbestritten hat in turbulenten Zeiten die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank nicht nur den EURO gerettet. Zumindest lobt man sich auch als Schaffer von über 11 Millionen Arbeitsplätzen, als Treiber von Wirtschaftswachstum und indirekt wohl auch als Grund für kräftige Kaufkrafterhöhungen bei den Konsumenten. Was leider aber einfach nicht klappen will ist, die Inflation deutlich an das definierte Ziel von „knap

Die Brücke von Beinheim -Über den deutsch-französischen Zustand- von Thomas Seidel

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Die Brücke von Beinheim (links französisch, rechts deutsch) (Quelle: wikipedia, GNU-Lizenz, Urheber: Cidor) Die Einheit von Frankreich und Deutschland in der Europäischen Union wird vielfach beschworen, ohne die in Europa nichts voran kommen könnte. Gerade haben der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam ein neue EU-Kommissionschefin auf den europäischen Schild gehoben. Doch in Wahrheit sind die beiden Nachbarländer Welten voneinander getrennt. Nichts symbolisiert das deutlicher als die Brücke von Beinheim. Viele Freundschaftsverträge und Nachbarschaftsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich sind seit dem Ende des 2. Weltkriegs schon abgeschlossen worden. Viele Regierungspaare haben in teils mächtiger, teils lächerlicher Symbolik nach Jahrhunderten der Erzfeindschaft eine ewige neue Freundschaft beschworen. So etwa Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, so Valéry Giscard d' Estaing und Helmut